Nicolas Cage im Irrsinns-Modus!
Von Lutz GranertIn der psychedelischen Horror-Hommage „Mandy“ gelang dem seit einigen Jahren vornehmlich mit enttäuschenden Performances in den Untiefen des Heimkinomarkts herumdümpelnden Nicolas Cage eine der besten Performances seiner Karriere. Das war sicherlich auch der fordernden Regie von Panos Cosmatos zu verdanken, der dem Mimen in seinem mit zahlreichen Genrezitaten vollgestopften, experimentell-avantgardistisch Grindhouse-Gorefest als rasend wütendem Racheengel schauspielerisch tatsächlich eine ganze Menge abverlangte. Auch Maria Puleras „Between Worlds“, der als Folgeprojekt von Nicolas Cage drei Monate nach „Mandy“ in den US-Kinos startete, beweist mit zahlreichen Anspielungen auf David Lynchs Erfolgsserie „Twin Peaks“ große Freude am Zitieren und punktet darüber hinaus sogar mit einem gewissen Mut zur Selbstironie. Doch trotz Cages erkennbarer Spielfreude verflacht der Mystery-Thriller aufgrund eines allzu unausgegorenen Drehbuchs mit zunehmender Laufzeit immer mehr.
Der abgehalfterte Trucker Joe (Nicolas Cage) hat erst kürzlich durch einen Brand seine Frau Mary (Lydia Hearst) und seine Tochter verloren. Als er an einer Tankstelle Rast macht, hört er merkwürdige Geräusche – und kommt der LKW-Fahrerin Julie (Franka Potente) zur Hilfe, die auf der Toilette gerade von einem Mann gewürgt wird. Wie sich herausstellt, hat Julie, wenn sie zu ersticken droht, die Gabe, zwischen den Welten der Lebenden und der Toten zu wandeln. Julie hofft so, den Geist ihrer Tochter Billie (Penelope Mitchell) zurückzuholen, die seit einem Motorradunfall im Koma liegt. Joe und Julie beginnen eine Beziehung miteinander – und tatsächlich erwacht Billie kurze Zeit später wieder aus dem Koma. Nachdem Billie aus dem Krankenhaus entlassen wird, ist sie sexuell jedoch immer stärker auf Joe fixiert. Nicht der Geist von Billie ist in ihren Körper zurückgekehrt, sondern der von Joes dem Wahnsinn verfallener Frau – die in Julie zunehmend eine Konkurrentin sieht...
Das Skript der spanischen Regisseurin und Drehbuchautorin Maria Pulera („Falsely Accused“) erzählte laut ihrer eigenen Aussage zunächst einen ganz normalen Thriller-Plot, bevor sie es gemeinsam mit Nicolas Cage Stück für Stück zu einem surrealen Drama im Stile eines David Lynch weiterentwickelt hat. Und tatsächlich ist „Between Worlds“ unverkennbar eine Hommage vor allem an „Twin Peaks“. Schon die Titelmelodie des Films, die eine surreale Credit-Sequenz mit zwei reglosen Körpern im Wasser unter einer Eisdecke mit unheilvollen Streichern untermalt, stammt von Lynchs Hauskomponisten Angelo Badalamenti. Die durchtriebene Figur der engelsgesichtigen Billie erscheint wie eine Reinkarnation von Laura Palmer und auch einige der voller absurder Komik steckenden Dialoge wirken wie direkt aus der kultigen TV-Serie entnommen. Doch Lynch-Zitate allein halten eben noch keinen Plot zusammen, der als unentschlossen hin und her torkelnder Genrebastard irgendwo zwischen spannungsarm inszeniertem Mystery-Thriller mit krudem Twist, oberflächlich bleibendem Beziehungsdrama und schräger Komödie versandet.
Schade auch, dass Maria Pulera gerade ihrem weiblichen Ensemble nicht so viel zuzutrauen scheint. Die zuletzt in ihrer englischsprachigen Rollenwahl glücklose Franka Potente („Muse – Worte können tödlich sein“) bleibt in ihrer eindimensional angelegten Rolle als bangende Mutter und Partnerin mit Kümmerkomplex blass. Penelope Mitchell („Hemlock Grove“) gibt das besessene Luder zwar mit Mut zur Verdorbenheit, aber am Ende stiehlt ihr dann doch immer der spielfreudige Nicolas Cage die Show. Der Oscarpreisträger (für „Leaving Las Vegas“) fühlt sich sichtlich wohl in seiner schmierigen Klischeerolle als abgehalfterter Trucker mit fettigen Haaren und stark ausgeprägter Libido, in der er nicht nur beim Spielen mit dem Wasserstrahl des Gartenschlauch bei der Motorradwäsche mal so richtig die irrwitzige Sau rauslassen darf. Wenn er in einer Montage von ungestüm-hysterischen Sexszenen aus einem Buch namens „Memories“ (geschrieben von einem gewissen Nicolas Cage) rezitiert, kann man das ziemlich albern finden – oder seinen Mut zur Selbstparodie bewundern (tatsächlich ist die Szene von ihm am Set improvisiert wurden). Das macht „Between Worlds“ zwar nicht unbedingt besser, aber zumindest sehr viel unterhaltsamer. Eine klare Steigerung zumindest gegenüber Cages zahlreichen Heimkino-Rohrkrepierern.
Fazit: Während das Drehbuch Genre-Versatzstücke wild durcheinanderwirbelt, ist zumindest auf Nicolas Cage Verlass. Er ist mit Spielfreude und Mut zur Selbstironie tatsächlich der Grund, warum der Mystery-Thriller „Between Worlds“ trotz einer gefährlichen Gratwanderung nie vollends in Trash-Gefilde abrutscht.