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    Eine moralische Entscheidung
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    Filmdoktor
    Filmdoktor

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    4,0
    Veröffentlicht am 8. November 2020
    Scham und Schuld, oder: ein Augenblick, der alles verändern kann -

    Der Teheraner Gerichtsmediziner, Dr. Kaveh Nariman, fährt nachts mit seinem Auto in dichtem Verkehr nach Hause. Ein anderer Fahrer drängt ihn ab, Nariman weicht aus und sein Wagen bringt dadurch eine ganze Familie auf einem Motorrad am Straßenrand zu Fall. Nariman kümmert sich um Mann, Frau und Sohn, untersucht den Jungen kurz und bietet dem Vater, Moosa, schließlich Geld als Entschädigung an, was dieser nach einigem Zögern auch annimmt. Sie trennen sich, Nariman bittet Moosa aber inständig noch ins nahe gelegene Krankenhaus zur Untersuchung zu fahren. Am nächsten Tag entdeckt Dr. Nariman die Leiche des Jungen vom Vorabend in der Gerichtsmedizin.
    Obwohl die Untersuchungen eine Lebensmittelvergiftung als Todesursache ausweisen, wird die Möglichkeit, der Junge sei an den Folgen des nächtlichen Unfalls gestorben, für Nariman zur Obesession. Gleichzeitig kämpft Moosa, der Vater des Jungen, mit Schuldgefühlen, da er das Fleisch besorgte, was den Jungen wohl vergiftet hat. Beide Männer verbindet der nächtliche Augenblick und die heimliche, mit Geld besiegelte Übereinkunft.

    "Eine moralische Entscheidung" erzählt in klaren Bildern mit einer begrenzten Anzahl zentraler Figuren weniger von den Gesetzen der Moral als vielmehr von dem persönlichen Gefühl des Versagens und der Schuld und der aus diesem Gefühl resultierenden Scham. Zwar könnte der Vorfall und die Folgen sich überall auf der Welt so zugetragen haben, insofern ist es eine universale Geschichte, aber in einer Kultur, in der Ehre und Gesichtsverlust einen sehr hohen Stellenwert haben, verlaufen Handlungen und Handlungsfolgen noch einmal anders. Ähnlich wie in den iranischen Filmen "Nadar und Simin" und "The Salesman" erzählt der iranische Regisseur Vahid Jalilvand in seinem Film, der im Englischen „No Date, No Signature“ heißt, ebensoviel über Schuld(Gefühle) wie über Geschlechterrollen, Ehrverletzung und Gesichtsverlust. Es sind jeweils Frauen - im Fall von Dr. Nariman eine Kollegin und im Fall von Moosa seine Ehefrau - die das Handeln der Männer in Frage stellen und die Offenlegung aller Fakten und Taten einfordern. Während Nariman um seine privilegierte Stellung als Gerichtsmediziner (der Oberschicht) fürchtet, zugleich aber auch von heftigen Gewissensbissen geplagt wird, wird Moosa (als Angehöriger der armen Unterschicht) in seiner Rolle als Familienoberhaupt und -ernährer in Frage gestellt. Beide wissen um die Fehler, die sie gemacht haben und suchen nach Wegen der Wiedergutmachung, aber beide verstricken sich dadurch immer mehr in ein Netz aus Verschweigen und weiteren Fehlern.

    "Eine moralische Entscheidung" ist eine universale Geschichte über Schuld und Scham und das richtige Handeln zur richtigen Zeit, zugleich spielt aber auch das Konzept von Patriarchialer Gesellschaft, Geschlechterrollen und Ehre (in der iranischen Gesellschaft) im Hintergrund eine Rolle. Der Film ist von einem tiefen Humanismus durchzogen und beeindruckt durch die realistisch gezeichneten und hervorragend gespielten Personen. Die brillante Inszenierung führt den Zuschauer in spiralförmigen Bewegungen immer tiefer in einen Konflikt, wie er sich prinzipiell überall auf der Welt immer wieder ereignen kann. Sehr sehenswert!

    Bei den Filmfestspielen von Venedig 2017 wurden Vahid Jalilvan für die beste Regie und Navid Mohammadzadeh (Moosa) als bester Darsteller ausgezeichnet.
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