Bereits mit seinem ersten abendfüllenden Film sorgte Ryûhei Kitamura im Jahr 2000 weltweit für Aufmerksamkeit. Mit einem Budget von nur 10.000 US-Dollar realisierte der Japaner in Eigenproduktion mit „Versus“ eine erfrischende Mischung aus virtuos choreografierten Martial-Arts-Szenen, blutigen Shoot-Outs und harten Splatter-Einlagen. 2008 inszenierte Kitamura dann seinen ersten Hollywood-Film: Die ausufernd-brutale Clive-Barker-Verfilmung „Midnight Meat Train“ machte er zu einem Horror-Albtraum, der in seiner ungeschnittenen Fassung in Deutschland bis heute auf dem Index jugendgefährdender Medien steht. Beim fiesen Thriller „Downrange – Die Zielscheibe bist du!“ ist die zuweilen grenzwertig blutige Handschrift von Ryuhei Kitamura nun erneut wiederzuerkennen, während der Regisseur aus dem minimalistischen Setting des nun wieder schmaler budgetierten Films eine ganze Menge herausholt.
Bei brütender Hitze fahren die sechs Teenager Jeff (Jason Tobias), Sara (Alexa Yeames), Eric (Anthony Kirlew), Jodi (Kelly Connaire), Keren (Stephanie Pearson) und Todd (Rod Hernandez) über eine einsame Landstraße, als sie ein geplatzter Reifen mitten in der Einöde zu einem Stopp zwingt. Als Jeff den Reifen wechseln will, entdeckt er, dass eine abgefeuerte Patrone für den Platten verantwortlich ist – und wird von einem gut versteckten Heckenschützen (Alon Boyd) ins Visier genommen. Abgesehen vom Auto und von einem Baumstamm sind die jungen Leute so gut wie ungeschützt, es beginnt ein aussichtslos erscheinender Kampf ums Überleben…
Wie schon bei seinem Martial-Arts-Actioner „Aragami“ mit dem über die ganze Filmlänge ausgebreiteten Samurai-Duell in einem Tempel, macht Regisseur Ryûhei Kitamura auch in „Downrange – Die Zielscheibe bis du!“ aus der Beschränkung auf nur einen Schauplatz eine Tugend und so bleibt der mit Backwood-Slasher-Elementen angereicherte Thriller über die komplette Laufzeit packend. Das von Kitamura in Zusammenarbeit mit Joey O'Bryan („Motorway“) verfasste Drehbuch punktet zunächst einmal durch genreuntypisch clevere Teenager, die mit Köpfchen agieren. Um etwa den genauen Standort des Heckenschützen zu bestimmen, bastelt Todd aus einem Selfie-Stick, einem Handy und einem Hoodie eine Art Vogelscheuche, die ihren Zweck als Köder nicht verfehlt. Auch Gegenstände aus dem Auto werden nach bester „MacGyver“-Art improvisierend zweckentfremdet - wie zum Beispiel eine metallene Werkzeugkiste, deren Klappe als Körperpanzerung dient.
Das überlegte Handeln der Figuren verleiht dem altbekannten Szenario nicht nur eine neue Plausibilität, sondern es sorgt auch für stetig anhaltende Spannung. Das Duell zwischen dem unbekannten Angreifer aus dem Hinterhalt und den kalt erwischten Teenagern lebt von seiner aufs Grundlegende reduzierten Klarheit. Über den zupackenden Pragmatismus hinaus besitzen die Figuren dabei kaum individuelles Profil. Auch die Charakterzeichnungen sind auf ein Minimum beschränkt und die Motivation des Todesschützen wird gar nicht erst zum Thema, aber so etwas spielt in diesem archetypischen Kampf Mensch gegen Mensch keine große Rolle. Von allen Figuren bekommt nur der von Newcomer Rod Hernandez gespielte trauernde Todd etwas Kontur.
So minimalistisch Kulissen und Handlung daherkommen, so schnörkellos und nüchtern auf den Punkt ist größtenteils die Inszenierung. Kameramann Matthias Schubert (er filmte die Serie „The Bay“) bleibt immer nah dran an den Figuren, während das ständige Zirpen der Grillen am kalifornischen Originalschauplatz die Klangkulisse dominiert. Dazu setzt die unheilvolle, aber dezente Musik von Aldo Shllaku, der schon den Score zu Kitamuras Manga-Adaption „Lupin the Third - Der Meisterdieb“ lieferte, wenige gezielte Akzente. Nur bei einigen Gewaltexzessen gibt der Regisseur jegliche Zurückhaltung auf und zelebriert in seiner typischen Art handwerklich perfekt gemachte Gore-Szenen.
Splatterfreunde können die Arbeit der Make-up-Künstler bewundern, wenn beim ersten Mord an Jeff die Kamera rückwärts durch ein blutiges Loch im Kopf des Opfers fährt, später artet der Unfall einer Familie, die auch ins Visier des Heckenschützen gerät, zu einer regelrechten Blutorgie inklusive eines abgetrennten Kopfes aus. Das alles ist virtuos gemacht, erscheint aber ähnlich wie das leicht überkonstruierte Finale etwas zu dick aufgetragen und unpassend für diesen ansonsten eher bodenständig-realistischen und dramaturgisch gelungen verdichteten Thriller.
Fazit: Der Low-Budget-Thriller „Downrange – Die Zielscheibe bis du!“ überzeugt durch erzählerische wie handwerkliche Effizienz. Nur mit seiner Vorliebe für derb-blutige Gore-Einlagen, die nicht so recht in den Film passen, steht sich Regisseur Ryûhei Kitamura manchmal selbst im Weg.