Die Minions wildern im Marvel-Universum
Von Björn BecherAller Müdigkeit am Superhelden-Genre zum Trotz lassen es sich nun auch die Minions nicht nehmen, in „Ich – Einfach unverbesserlich 4” noch auf den Zug aufzuspringen: Gleich fünf der lustigen gelben Kerle werden zu Wiedergängern berühmter Comic-Figuren, um dann mit einem trockenen Gag direkt wieder eingemottet zu werden. Macht man sich so über das Marvel Cinematic Universe (MCU) lustig? Dafür spricht zumindest ein vorab veröffentlichtes Promo-Video, in dem Gru-Sprecher Steve Carell ganz im Stil der Marvel-Messeauftritte ein zusammenhängendes Universum und Spin-offs mit den Mega Minions für die nächsten 100 Jahre ankündigt? Oder will man einfach selbst noch schnell die Kuh melken, bevor sie vielleicht wirklich eingeht? So richtig klar wird das nicht …
… und das ist vielleicht auch bezeichnend für den von Chris Renaud und Patrick Delage inszenierten neuesten Teil der Animationsreihe, die mit zwei Minions-Spin-offs, etlichen Kurzfilmen und unzähligen Merchandise-Artikel ohnehin längst ihr eigenes gigantisches Popkultur-Franchise geworden ist. Womöglich erschien es einfach nur als eine amüsante Idee, Minion-Versionen von u. a. dem Hulk und oder gleich zwei Fantastic-Four-Mitgliedern zu haben. So ist womöglich auch der Großteil von „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ entstanden. Jemand hatte einen lustigen Einfall, also wurde er noch irgendwie mit eingebaut. Das Ergebnis ist eine Nummernrevue, in der sich großartige Passagen mit lahmen Witzen abwechseln. Erzählt werden parallel gleich drei Geschichten, die als notdürftiger Kleister fungieren und bei denen gerade der zentrale Handlungsstrang enttäuscht. Spaß macht es trotzdem, denn die Gag-Dichte ist hoch und die knuffigen Figuren begeistern nach wie vor.
Ex-Bösewicht Gru (im Original: Steve Carell / in Deutschland: Oliver Rohrbeck) ist im Auftrag der Anti-Verbrecher-Liga AVL ein echter Coup gelungen. Er hat Superschurke Maxime Le Mal (Will Ferrell / Jens „Knossi“ Knossalla), der ihn schon während der gemeinsamen Schulzeit im Verbrecher-Internat drangsaliert hat, verhaftet. Doch als der Gefangengenommene kurz darauf wieder ausbricht, schweben Gru und seine Familie in Gefahr. Denn der nach einer Kreuzung mit Kakerlaken mutierte Maxime hat grausame Rache geschworen. Kurzerhand beschließt AVL-Boss Silas Ramspopo (Steve Coogan), dass Gru, seine Frau Lucy (Kristen Wiig / Martina Hill) samt des gemeinsamen Babys Junior und den drei Adoptivtöchtern Margo (Miranda Cosgrove), Edith (Dana Gaier) und Agnes (Madison Polan) im Zeugenschutzprogramm untertauchen müssen. In der idyllischen Vorstadt Mayflower sollen sie fortan völlig unerkannt leben.
Das geht allerdings nicht lange gut. Die gerissene, von einer eigenen Karriere als berühmte Schurkin träumende Nachbarstochter Poppy (Joey King) erkennt und erpresst Gru: Der untergetauchte Ex-Schurke soll ihr bei einem Raubzug helfen, der ihr selbst die Aufnahme im Verbrecher-Internat sichern soll. Ganz andere Sorgen hat derweil Ramspopo. Weil nur drei der Minions mit nach Mayflower ziehen konnten, soll der Rest bei der AVL arbeiten. Weil die gelben Chaosstifter sich schnell als ungeeignet für jeden Büro-Job erweisen, kommt ihm die Idee, mit einem Super-Serum fünf Minions spezielle Kräfte zu verleihen. Doch die Mega Minions erledigen ihre Rettungseinsätze so miserabel, dass nicht nur eine genervte Oma wütend schreit, wie ermüdet sie inzwischen von Superhelden ist…
Es ist wahrscheinlich der immensen Popularität der gelben Sidekicks geschuldet, dass ihnen in „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ nun ein ganzer Nebenhandlungsstrang gewidmet wird, der eigentlich besser in einem dritten „Minions“-Solofilm aufgehoben wäre. Das Geschehen um die Mega Minions fühlt sich an wie ein Fremdkörper, bei dem das Team der Erfolgs-Animationsschmiede Illumination sich quer durch die Superheldengeschichte zitiert. Da wird erst die Super-Serum-Sequenz aus „Captain America“ verwurstet, um dann offensichtlich auf vier Marvel- und einen DC-Held verweisende Figuren zu erschaffen, die dann alle ein Mini-Abenteuer spendiert bekommen (inklusive einer Nachstellung der berühmten Zug-Szene aus Sam Raimis „Spider-Man 2“, natürlich mit einem komischen Twist).
Allerdings illustriert die Collage von misslungen Rettungstaten der Neuhelden auch, was die „Ich – Einfach unverbesserlich“-Reihe so erfolgreich macht. So überflüssig dieser ganze Einschub auch sein mag, langweilig wird es trotzdem nie. Selbst der naheliegende Gag, dass ein Super-Minion den um Hilfe rufenden, weil vom Absturz bedrohten Hochhaus-Fensterputzer nicht etwa in Sicherheit bringt, sondern seinen Job für ihn zu Ende macht, reicht in der Umsetzung noch für einen Lacher. Chris Renaud, der bereits die ersten beiden „Ich – Einfach unverbesserlich“-Filme inszenierte und dann beim dritten Teil aussetzte, um stattdessen die „Pets“-Filme in die Kinos zu bringen, versteht es einfach, kurzweiliges Spektakel zu inszenieren.
Das macht vor allem Laune, wenn irgendwas passiert, es wilde Action-Einlagen oder wüste Slapstick-Komik gibt. Und das ist ausgesprochen oft der Fall. In den besten Momenten geht es sogar Hand in Hand und wird noch mit einer kleinen Prise Spannung garniert. Wenn Gru mit Nachbarin Poppy und dem Baby im Schlepptau in das an ein Hogwarts für angehende Superschurk*innen erinnernde Internat seiner Kindheit einbricht, entspannt sich eine urkomische, kinematisch erstklassige Heist-Sequenz. Beim geplanten Diebstahl eines extrem bissigen Honigdachses folgt ein rasanter Gag auf den nächsten.
Die Verantwortlichen verstehen es hier ganz wunderbar, nicht nur Witz an Witz zu reihen, sondern dabei auch die spezifischen Stärken ihrer Figuren auszuspielen. Alle haben in dem rasanten Tohuwabohu eine Rolle, die zu ihnen passt: die Minions, der Dachs, Poppy, Gru und vor allem Baby Junior, der nicht ganz so heimliche Star des Animationssequels. Gerade der im vierten Teil sein Debüt feiernde Neuzugang der schrägen Patchwork-Familie wird immer wieder für gekonnte Humor-Einlagen genutzt. In den wenigen entschleunigten Szenen des Spektakels reicht ein böser Blick des Babys in Richtung des Vaters, um Gag-Wirkung zu entfalten. Und wie sich die Minions im Stil einer Formel-1-Boxencrew um Aufgaben wie Windelwechseln oder um das Anschnallen im Auto kümmern, ist ebenfalls ein Heidenspaß.
Die Schwestern Margo, Edith und Agnes werden durch die Minions und den neuen Baby-Gru allerdings ein wenig an den Rand gedrängt. Trotzdem bekommen sie ihre Momente, die zeigen, warum sie für viele Fans der Reihe die wahren Lieblinge sind (und der erste Film mit ihrer größten Präsenz auch weiterhin der beste Teil der Reihe bleibt): Wenn Agnes, die nicht lügen kann (sehr schlecht für ein Leben mit neuer Identität im Zeugenschutzprogramm), ständig dagegen ankämpft, die Wahrheit auszuspucken und ihre Augen immer größer werden, ist das genauso lustig wie Ediths kurzer und für den grobschlächtigen Trainer schmerzhafter Ausflug zum Karate-Kurs.
Trotz dieser Stärken ist „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ nicht der ganz große Wurf. So witzig viele Passagen sind, so bemüht wirken andere. Beispielhaft ist hier eine „Terminator 2“ zitierende Verfolgungsjagd durch Supermarkt-Gänge genannt. Es ist eine beliebig bleibende Anspielung, die wirkt, als wäre sie nur im Film gelandet, weil man die Möglichkeit hatte, dafür die ikonische Originalmusik von Brad Fiedel zu nutzen. Immer wieder finden sich solche Popkultur-Passagen in dem Animationsfilm, die sich wie allzu beliebiger Füllstoff anfühlen.
Daneben bleibt außerdem Bösewicht Maxime ausgesprochen blass. Während Grus unfreiwillige Rückkehr in die Kriminalität mit Nachbarstochter Poppy begeistert und der kurze Ausflug ins Superheldenkino zumindest Gags in hoher Abfolge bietet, ist gerade die Hauptgeschichte recht zäh. Die Szenen mit dem verzweifelt nach seinem Erzfeind suchenden Maxime sind fast ausschließlich Bremsklötze. Das große Finale ist zwar eine überbordende Zerstörungsorgie, aber zugleich so wenig mitreißend und clever, dass sie nur noch mal unterstreicht, wie viel besser die vorherigen Actionszenen waren. Dass der Fiesling sich zudem mit einer Kakerlake gekreuzt hat und nun ein mutiertes Wesen ist, bleibt weitestgehend eine reine optische Absonderlichkeit, die viel zu selten auch gekonnt für die Dynamik der Action oder einen guten Gag eingesetzt wird.
Fazit: Mit einem Baby-Gru als Neuzugang fährt „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ den Knuffigkeits-Faktor noch einmal hoch und bietet wieder kurzweilige Unterhaltung für Fans der Reihe. Allerdings wechseln sich erstklassige Szenen mit deutlich schwächeren Passagen ab und so bleibt der vierte Teil am Ende vor allem eine Aneinanderreihung von mal mehr, mal weniger gelungenen Einzelideen.