Für den Puppentrick-Kurzfilm „Balance“, eine Parabel über das natürliche Gleichgewicht, das durch die Gier von Einzelpersonen bedroht wird, gewannen die 1962 in Hildesheim geborenen Zwillingsbrüder Christoph und Wolfgang Lauenstein 1990 einen Oscar. Anschließend gründeten sie ein kleines Studio und verwirklichten dort vor allem für die Werbung kleine Stop-Motion-Filme. Aus ihrem Interesse für Computeranimation und dem Ehrgeiz, ein größeres Projekt zu verwirklichen, entstand fast dreißig Jahre nach „Balance“ nun der lange Animationsfilm „Luis und die Aliens“. Der europäischen Co-Produktion ist das im Vergleich zu US-Multimillionen-CGI-Blockbustern deutlich geringere Budget durchaus anzusehen, aber dem Unterhaltungswert der quirligen Verwechslungskomödie für die ganze Familie tut das keinen Abbruch.
An seinem zwölften Geburtstag hofft Luis Sonntag (Stimme: Chloe Lee Constantin) auf ein neues Fahrrad, doch sein alleinerziehender Vater Armin (Martin May) sucht als passionierter Ufologe zwar jede Nacht nach Spuren außerirdischen Lebens, vernachlässigt darüber aber seinen Sohn. Den Geburtstag hat er komplett vergessen. Während Luis' Schuldirektor (Achim Buch) und die gruselige Internatsleiterin Miss Diekendaker (Ulrike Johannson) einen Besuch angekündigt haben, landen auch noch drei kunterbunte und ziemlich aufgedrehte Aliens hinter dem Haus der Sonntags, weil sie vom Mutterschiff aus im Erd-Fernsehen Werbung für eine fabulöse Massageliege sahen, die sie unbedingt haben wollen. Da die drei grünen Männchen namens Mog (Flemming Stein), Nag (Tim Grobe) und Wabo (Oliver Böttcher) sich auf Anhieb gut mit Luis verstehen, helfen sie sich gegenseitig. Dass die Aliens sich durch das Herunterschlucken von DNA-Proben (sprich: Haaren) einigermaßen gut in andere Lebewesen verwandeln können, erweist sich dabei als besonders praktisch...
Mit der Landung der Aliens kommt der Film richtig in Schwung. Köstlich ist gleich das erste Täuschungsmanöver, wenn Luis und das außerirdische Trio das Haus der abwesenden Nachbarn gegenüber dem Schuldirektor als das eigene ausgeben, da das Domizil der Sonntags durch die Nachlässigkeit des Vaters zur Bruchbude verkommen ist. Dabei spielt eines der Aliens Sonntag Senior, während die anderen beiden sich darum streiten, wer das von ihnen außer Gefecht gesetzte Hausmädchen Valentina (Dagmar Dreke) verkörpern darf... Mit wahnwitzigem Tempo und dabei wirklich gelungenem Comedy-Timing werden solche Verwicklungen hier zum mit bloßen Worten schwer beschreibbaren Vergnügen.
Die eigentliche Story ist zwar eher simpel gestrickt und auch die Animation ist bei weitem nicht auf Pixar-Niveau, aber wie die Aliens in neuen Situationen immer wieder neue „Verkleidungen“ anlegen und ein ums andere Mal aufzufliegen drohen, weshalb man blitzschnell reagieren und neue Erklärungen für nicht ganz stimmige Details erfinden muss, das ist schon ein Erlebnis für Jung und Alt. Dass die Lauenstein-Zwillinge wie sie selbst sagen schon aufgrund der eigenen Biografie (gerade zur Schulzeit konnte man sie kaum auseinanderhalten) eine besondere Affinität zur Verwechslungskomödie und zu Rollenspielereien entwickelt haben, ist dem Film jedenfalls anzumerken.
Dazu kommen hübsche Details am Rande (man achte auf die Markennamen im Supermarkt), und Filmanspielungen gibt es natürlich auch: So sieht die garstige Miss Diekendaker mit ihrem suspekten Interesse für Kindertränen aus wie eine Mischung aus Cruella de Vil und Morticia Addams, bis ihr Look nach einem Friseurbesuch (natürlich mimen die Aliens die Coiffeure) an „Frankensteins Braut“ erinnert – worauf eine andere Kundin anmerkt: „Ich möchte die gleiche Frisur“, was wiederum von der berühmten „Orgasmus-Szene“ aus „Harry & Sally“ inspiriert zu sein scheint.
Wenn ein redseliger Eisverkäufer die Gegend nebenbei mit Kameras überwacht, dann erzielen die Lauensteins damit nette filmische Effekte und bereiten bereits früh den rasanten Showdown auf dem „Drachengipfel“ vor, in dem auch Papa Armins Alien-Schockfroster und Luis' heimlicher Schwarm Jennifer (hat Allüren, Journalistin zu werden) eine Rolle spielen. Auch die flotten Dialoge sind oft sehr hübsch, etwa das actionbetonte „Na los, gib' Gummi, Schnulli!“ oder das universell einsetzbare „Jetzt hängen wir auf einem Planeten fest, der nach Leberwurst riecht“. Auf Pupswitze und dergleichen wird indessen verzichtet - wenn es hier albern wird, dann ist es meist auch für die Erwachsenen komisch, die an diesem Film ähnlich viel Vergnügen haben dürften wie die kindliche Hauptzielgruppe.
Fazit: Animationstechnisch kann „Luis und die Aliens“ nicht mit der Konkurrenz aus Hollywood mithalten, aber das wird mit viel Humor und Einfallsreichtum wettgemacht. Sehenswerte Unterhaltung für die ganze Familie.