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    The Silence
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Silence

    Nein, das ist nicht "A Quiet Place 2"

    Von Antje Wessels

    A Quiet Place“ war der Horror-Überraschungshit 2018. In dem Schocker mit Emily Blunt und John Krasinski darf eine Familie keinen Mucks machen, um nicht die Aufmerksamkeit von zwar blinden, dafür aber mit einem erstaunlich guten Gehör ausgestatteten und extrem tödlichen Monstern auf sich zu ziehen. Die Fortsetzung „A Quiet Place 2“ war bei dem herausragenden Einspielergebnis wohl nur noch Formsache und ist inzwischen auch offiziell bestätigt. „Bird Box“ mit Sandra Bullock avancierte wenige Monate nach dem Start von „A Quiet Place“ als auf Anhieb meistgesehener Netflix-Originalfilm nicht nur zu einem ähnlich großen Erfolg, er funktionierte auch nach einem ganz ähnlichen Konzept. Nur durften die Protagonisten hier ruhig Krach machen, aber die Monster auf keinen Fall ansehen.

    The Silence“, der in großen Teilen der Welt direkt auf Netflix erscheint, bei uns aber regulär ins Kino kommt, wirkt nun fast schon wie eine Kopie von „A Quiet Place“. Aber wer glaubt, die Macher wollten einfach nur auf der Erfolgswelle mitschwimmen, der irrt. Schließlich begannen die Dreharbeiten zur Verfilmung des gleichnamigen Romans von Tim Lebbon bereits im September 2017 – also lange bevor sich der Erfolg von „A Quiet Place“ abzuzeichnen begann. Trotzdem muss sich „The Silence“ dem Vergleich natürlich stellen, dafür sind die inhaltlichen Ähnlichkeiten dann doch zu offensichtlich. Insgesamt konzentriert sich „Annabelle“-Regisseur und „Conjuring“-Kameramann John R. Leonetti bei „The Silence“ deutlich stärker auf die Survival-Elemente des Szenarios und lässt die Horroraspekte dafür weitestgehend außer Acht. Das Ergebnis ist ein solides Dystopie-Abenteuer, das sich qualitativ genau zwischen dem lauen „Bird Box“ und dem starken „A Quiet Place“ einordnet.

    Der Blick geht immer gen Himmel, denn dort lauert die tödliche Gefahr.

    Eine Gruppe Wissenschaftler lässt bei einer ihrer Forschungsmissionen versehentlich mutierte Fledermäuse frei. Durch eine parasitäre Infektion haben sich die eigentlich harmlosen Tiere in blutrünstige Bestien verwandelt, die alles töten, was sie in ihre Krallen bekommen. Dass die Kreaturen nichts sehen können, ist für die Menschen nur ein schwacher Trost, denn durch ihr hervorragendes Gehör können sie ihre Opfer bei jedem noch so kleinen Geräusch orten und angreifen. Die Familie Andrews beschließt, mit dem Auto ins US-amerikanische Hinterland zu flüchten und so den vornehmlich Großstädte attackierenden, inzwischen Vesps getauften Fledermonstern zu entkommen. Für die taube Teenagerin Ally (Kiernan Shipka), ihren Bruder Jude (Kyle Breitkopf), ihre Großmutter Lynn (Kate Trotter) sowie ihre Eltern Hugh und Kelly (Stanley Tucci und Miranda Otto) entbrennt ein knallharter Überlebenskampf...

    Vieles in „The Silence“ hat man so oder sehr ähnlich schon mal gesehen – und zwar nicht nur in „A Quiet Place“ oder „Bird Box“. So lässt John R. Leonetti auf den Prolog rund um die Entdeckung der mutierten Fledermausmonster beispielsweise einen sich aus Nachrichtenschnipseln, Natur-Dokumentaraufnahmen und Bildern aus überbevölkerten Innenstädten zusammensetzenden Zeitraffer folgen, der veranschaulicht, wie rasend schnell sich die Parasiten rund um den Erdball ausbreiten („World War Z“ und „Patient Zero“ lassen grüßen). Alles was darauf folgt, verläuft ebenfalls in eher generischen Bahnen: Das Skript von Carey und Shane Van Dyke, die auch schon gemeinsam das Drehbuch zu „Chernobyl Diaries“ verfasst haben, etabliert mit einer Handvoll Szenen ein harmonisches Familienleben, lässt die Protagonisten wenig später anhand von News-Sondersendungen den Ausbruch der Katastrophe verfolgen, ehe die Familie Andrews mitsamt Hund und Kumpel schließlich überstürzt das Haus verlässt.

    Vor den Kirchen-Freaks sollte man sich lieber in Acht nehmen.

    Auch später haftet den meisten Szenen eine gewisse Formelhaftigkeit an. Auf ihrer Reise in Richtung unbekanntes Ziel stellen sich den Andrews immer wieder verschiedene Hindernisse in den Weg, die den Überlebenswillen der Familie auf vielfältige Art und Weise auf die Probe stellen. Gleichzeitig gehen einem die Ereignisse in „The Silence“ aber oft auch wirklich nahe. Dafür verantwortlich ist vor allem die Figurenkonstellation mitsamt starker Besetzung: Stanley Tucci und Miranda Otto verkörpern ein Ehe- und Elternpaar, dem man die aufopferungsvolle Liebe zu ihren Kindern und zueinander jederzeit abnimmt. Kiernan Shipka („Chilling Adventures Of Sabrina“) und Kyle Breitkopf („Wunder“) stehen sich als Geschwisterpaar nicht weniger nahe und verdeutlichen die enge Verbundenheit zueinander immer wieder mit kleinen subtilen Gesten. Gemeinsam mit Oma Lynn zieht hier eine Familie tatsächlich glaubhaft und gemeinsam an einem Strang, um irgendwie zu Überleben.

    Smarte Protagonisten und ein überflüssiges Handicap

    Dass Tochter Ally taubstumm ist und ihre anderen Sinne deshalb besonders geschärft sind, kommt leider nicht wirklich zur Geltung. Lediglich in zwei Szenen (einmal realisiert sie etwa eine winzige Veränderung am Fell ihres Hundes) schöpfen die Macher hier das Potenzial aus. Letztlich hätte die Figur wohl auch ohne diese Behinderung genauso gut funktioniert. Dafür erweisen sich die Mitglieder der Andrews-Familie im Verlauf des Films allesamt als angenehm clevere Zeitgenossen. So nimmt es einen hier gerade dann besonders mit, wenn einer ihrer Pläne trotz diverser smarter Entscheidungen nicht aufgeht. Das hat einfach mehr emotionalen Punch als wenn die doofen Protagonisten wie in so vielen Horrorfilmen auch irgendwie selbst Schuld haben, wenn sie den Löffel abgeben.

    Konträr zur harmonischen Stimmung innerhalb der Familie, in der es jedem mindestens einmal vergönnt ist, auch mal still zu weinen oder einfach nur ratlos zu sein, entwickelt sich um sie herum eine sukzessive immer bedrohlicher werdende Atmosphäre. Bilder von menschenleeren Innenstädten und den in riesigen Schwärmen am Himmel kreisenden Fledermaushorden (die Hitchcocks Vogelschwärme locker in den Schatten stellen) sollen für zunehmend düstere Endzeitstimmung sorgen. Aber während die entsättigten Bilder von Kameramann Michael Galbraith („Wish Upon“) die allgemeine Hoffnungslosigkeit treffend unterstreichen und für Beklemmung sorgen, wirken die kreischenden Fledermonster nur aus der Ferne (gerade wenn sie in Scharen auf Strommasten sitzen und ihre Opfer belauschen) bedrohlich. In den Nahaufnahmen erinnern sie hingegen eher an die Terrorvögel aus dem legendär-schlechten Horrortrash „Birdemic“. Dafür erlaubt sich John R. Leonetti mit den Viechern hier und da kleine Späße, etwa wenn er Vater Hugh einfach mal eine laut lärmende Häckselmaschine anschmeißen lässt. Den Rest kann sich an dieser Stelle ja jeder selbst ausmalen...

    Achtung: Spoiler im nächsten Absatz!

    Die ersten siebzig Minuten genügen John R. Leonetti die Vesps als allgegenwärtige Bedrohung, um „The Silence“ am Laufen zu halten. Und uns hätte das dank der genannten Qualitäten auch ausgereicht. Aber dann taucht doch noch ein Kirchenkult auf, der sich vor der Andrews-Familie fast schon in Endgegner-Pose aufbaut. Daraus resultier zwar die mit Abstand stärkste Szene des gesamten Films (Stichwort: Smartphones), lässt den Film aber unnötig in ein allzu klassisches Krawallfinale münden. Dass am Ende dann aber doch wieder Mensch gegen den Menschen kämpft, obwohl sich die Natur eigentlich die ganze Zeit als der eigentlich-mächtige Gegenspieler erwiesen hat, ist immerhin eine schön böse, zumindest angehaucht philosophische Schlusspointe für einen auch sonst sehr soliden Survivalthriller.

    Fazit: „The Silence“ ist formelhafter als „A Quiet Place“, dafür aber spannender als „Bird Box“. Neben einer starken Bildsprache überzeugt der Film dabei vor allem durch seinen starken Cast.

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