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    Der Trafikant
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Der Trafikant

    Leider gut gemeintes Förderkino

    Von Michael Meyns

    Manchmal ist die Summe weniger als die Teile. Zu diesem Ergebnis kommt man zum Beispiel am Ende von Nikolaus Leytners gediegener Literaturverfilmung „Der Trafikant“, die sich quasi als Inbegriff des deutsch-österreichischen Förderkinos entpuppt (mit allem was dazugehört): Üppig ausgestattet, gut gespielt, thematisch relevant, aber am Ende doch ein wenig beliebig und vor allem arg bieder. Dass die Verfilmung des Bestsellers von Robert Seethaler dabei der x-te Film ist, der eine Episode aus dem Dritten Reich bebildert, macht ihn fraglos zu einer gut gemeinten Angelegenheit. Aber die Macher gehen einfach viel zu behutsam vor, um dem Thema etwas tatsächlich Neues hinzuzufügen.

    Österreich, 1937. Franz Huchel (Simon Morzé) ist auf dem Land aufgewachsen, allein mit der Mutter. Aber nun soll er in die Stadt, einen Beruf erlernen. In Wien bekommt er einen Posten in einer Trafik (österreichisch für Tabak- und Zeitschriften-Geschäft), in der auch ein sehr berühmter Mann seine Zigarren kauft: Sigmund Freud (Bruno Ganz). Der berühmte Professor und der junge Mann freunden sich an, nur in Liebesdingen kann der Psychiater Franz wenig nützliche Ratschläge geben, dabei ist genau dies das Thema, an dem Franz gerade knabbert. Denn auch wenn der Anschluss an Nazi-Deutschland die Situation in Österreich zunehmend schwierig macht, denkt Franz doch vor allem an die ebenso hinreißende wie unnahbare Tänzerin Anezka (Emma Drogunova), in die er unsterblich verliebt ist…

    Ein schönes Konstrukt hat sich Robert Seethaler für seinen 2012 erschienen Erfolgsroman ausgedacht, der sich inzwischen einen festen Platz auf gymnasialen Leselisten zum Dritten Reich erobern konnte: Eine fiktive Begegnung zwischen einem jungen, naiven Menschen, der trotz der äußeren Umstände eigentlich ganz anderes im Sinn hat, und dem weltberühmten, jüdischen Sigmund Freud, der bald aus seiner Heimat vertrieben werden wird. Aus der Perspektive von Franz geschrieben, so dass die weltpolitischen Ereignisse vor und nach der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich nur im Hintergrund mitlaufen. Doch im Kino ist das gar nicht so leicht, dieses „nur im Hintergrund“. Wenn da Uniformierte aufmarschieren und Nazi-Fahnen wehen, dann kann das die Kamera noch so sehr in den Hintergrund stellen, während vorne Franz mit Anezka flirtet – es wird sich trotzdem immer seinen Weg ins Zentrum bahnen.

    Die subjektive Perspektive seiner Hauptfigur zu evozieren, der sich seinem Alter entsprechend mehr für die sinnlichen Kurven seiner Geliebten als für den aufkommenden Faschismus interessiert, ist ein schwieriges, mitunter auch heikles Unterfangen, das Nikolaus Leytner nur bedingt gelingt. Allzu gediegen inszeniert er die Liebesgeschichte zwischen Franz und dem Wildfang Anezka, die ihr Leben mit allerlei Liebschaften auch mit Nazis finanziert. Ähnliches gilt auch für die Gespräche zwischen Franz und Freud. Ohnehin bleibt die Rolle von Freud völlig schematisch: Ab und an gibt er Franz wenig dienliche Ratschläge in Liebesdingen, vor allem aber ist er eben einer von vielen jüdischen Österreichern, die bald vor den Nazis fliehen werden.

    So behandelt „Der Trafikant“ fraglos eine der einschneidensten Phasen der österreichischen Geschichte, die mit all ihren Konsequenzen, dem Mitläufertum und aktiver Teilnahme an den Verbrechen des Dritten Reichs auch heute noch nicht vollständig aufgearbeitet ist. Doch einen frischen Blick auf das Thema zu werfen, wie es etwa Leytners Landsfrau Ruth Beckermann vor kurzem mit ihrer herausragenden Dokumentation „Waldheims Walzer“ schaffte, dass gelingt mit „Der Trafikant“ nicht. Allzu bieder sind Inszenierung und Erzählansatz, allzu vorsichtig und verstaubt wirkt Leytners Film, als dass er als eigenständige Verfilmung eines sehr viel gelungeneren Bestsellers überzeugen könnte.

    Fazit: Nikolaus Leytner schafft es in seiner Verfilmung von „Der Trafikant“ nicht, den Ansatz des Romans stimmig in die filmische Form zu übersetzen - und so wirkt er am Ende viel zu bieder und harmlos, um zu überzeugen.

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