Als 2015 mit „Baahubali: The Beginning“ die bis dato teuerste Produktion Indiens auf die Leinwände kam, war das für die Nation ein Ereignis vergleichbar mit dem Kinostart amerikanischer Event-Filme wie „Titanic“ oder „Herr der Ringe“. Dabei handelt es sich bei S.S. Rajmoulis Verfilmung der Gute-Nacht-Geschichten seines Vaters keineswegs um eines der besonders populären hindisprachigen Bollywood-Musicals aus dem indischen Norden, sondern das historische Fantasyepos entstammt einer Zusammenarbeit des außerhalb des Subkontinents weniger bekannten telugusprachigen Tollywood und des tamilsprachigen Kollywood. Auch die Kritiker zeigten sich beeindruckt von der vor und hinter der Kamera hochkarätig besetzten südindischen Megaproduktion, obwohl das bildgewaltige Märchen, in dem die Legenden und Mythen jahrhundertealter indischer Literatur („Mahabaratha“) spielerisch mit der neuesten Film- und Computertechnik verknüpft wurden, erzählerische Defizite besitzt. Diese Schwächen sind bei der zeitlich vor und nach Teil 1 angesiedelten Fortsetzung „Baahubali 2: The Conclusion“ nun ausgemerzt. Rajmoulis mit Spannung erwartetes Dreieinhalbstundenepos schickt sich in Indien an, alle bisherigen Einspielrekorde zu brechen – und das ist kein Wunder: Das Fantasyabenteuer ist ein mitreißend- einfallsreicher Bildersturm mit grandios choreographierten Schlachten, charismatischer Besetzung und einer hochemotionalen Geschichte.
Der gütige Amarendra Baahubali (Prabhas) und sein machthungriger Cousin Bhadra (Adivi Sesh), die von der stolzen Sivagami (Ramya Krishnan) als Brüder aufgezogen wurden, wetteifern um das Kaiserreich von Mahismati. Auch in Liebesdingen konkurrieren die beiden mächtigen Krieger – um die Hand der selbstbewussten Prinzessin Devasena (Anushka Shetty). Doch während Bhadra seine Mutter vorschickt, schleust sich Amarendra selbst in Devasenas Königreich ein, um sie als einfacher Mann getarnt für sich zu gewinnen. Durch eine Intrige versucht Bhadra mit seinem Vater Bijjaladeva (Nasser) Amarendras treuesten Soldaten Kattappa (Sathyarajh) und seine Mutter Sivagami gegen seinen Kontrahenten aufzubringen und so das gesamte Reich zu unterjochen…
Die epischen Heldengeschichten des indischen Kinos folgen in der Regel einer traditionellen Erzählstruktur. In der ersten Hälfte, vor der Pause, wird der aufrichtige, naive Held mit leichter Hand und viel Komik eingeführt, Freund- und Feindschaften sowie seine Liebe zur Heldin werden skizziert. Kurz vor der Pause gibt es dann eine melodramatische Wendung, die einer Auflösung bedarf und die Zuschauer zur Rückkehr nach der Unterbrechung motivieren soll. Nach der Pause werden die aufgeworfenen Fragen, die mit der mysteriösen Vergangenheit des Helden zu tun haben in Form einer längeren Rückblende beantwortet. Seine Partnerin spielt vorläufig keine große Rolle mehr – bis sich der Konflikt mit dem Antagonisten aus der Vergangenheit in der Gegenwart in einer blutigen Auseinandersetzung entlädt. In „Baahubali: The Beginning“ hielt sich Regisseur S.S. Rajmouli sogar so eng an diese Vorgaben, dass bei der Geschichte von Amarendras ins Exil geschicktem Sohn Sivudu (auch gespielt von Prabhas) und dessen Rückkehr zum Palast seiner Eltern keine rechte Spannung aufkam.
Erst die Fortsetzung erfüllt die Hoffnungen, die schon der erste Film geweckt hatte. Während dort die zentrale Frauenfigur Avantika (Tamannah) noch zum leicht bekleideten Supermodel degradiert wurde, haben wir in Teil 2 Devasena, die nicht nur von einer besseren Schauspielerin porträtiert wird (Anushka Shetty war nie so gut wie hier), sondern ihre Kontrahenten ebenso gekonnt aufmischt wie ihr gestählter Verehrer Amarendra Baahubali. Wenn die beiden zusammen zu Pfeil und Bogen greifen und Horden von (CGI-)Kriegern aus dem Weg räumen, dann ist das elegante Action-Erotik auf höchstem Niveau. Die zauberhaft umgesetzte Liebesgeschichte ist zudem effektiv eingebettet in das überhöhte Drama einer zutiefst dysfunktionalen Familie, das sich im kaiserlichen Machtkampf offenbart. Die eindimensionalen Figurenskizzen des ersten Films machen hier Platz für voll entwickelte Rollen und spannende innere Widersprüche. Das gilt für die eher tragischen Protagonisten, allen voran die von ihren Dekreten immer vollends überzeugte Sivagami, die sich derart blenden lässt, dass sie bald nicht mehr als Mutter, sondern nur noch als kaltblütige Herrscherin agiert, aber auch für komische Nebenfiguren wie den von Subbaraju gespielten Kumara Varma, der als überheblicher, egoistischer Feigling eingeführt wird und sich zum selbstlosen Kämpfer für seine Überzeugungen wandelt.
Die beste schauspielerische Leistung des Films kommt aber von Kollywood-Veteran Sathyaraj (bekannt aus „Chennai Express“), der als Kattappa mal als witziger Sidekick, mal als sentimentale Vaterfigur für Amarendra Baahubali dient, und wenn er schließlich zu einem traurigen Opfer seiner Stellung im Machtgefüge des Kaiserreichs wird, inszeniert das S.S. Rajmouli mit so unglaublich viel Pathos, Tragik und Herzschmerz, dass man unmöglich ungerührt bleiben kann. Der Regisseur zeigt ein überragendes Gespür für große Bilder und ebenso große emotionale Wirkungen: Außergewöhnliche und opulente Kulissen, üppige CGI-Landschaften, berauschende Kostüme, mitreißende Tanz- und Gesangsszenen sowie einige wohlplatzierte Schockmomente (einschließlich abgetrennter Köpfe) verbindet er zu einem grandiosen, nicht eine Sekunde langweiligen Epos.
Fazit: „Baahubali 2“ ist bombastisch-einfallsreiches Event-Kino aus Indien – und einer der weltweit besten Blockbuster der vergangenen Jahre.