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    Marie Curie - Elemente des Lebens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Marie Curie - Elemente des Lebens

    Nobelpreisträgerin, Liebhaberin, Mutter & Erklärbär

    Von Oliver Kube

    Marie Curie (1867-1933) besaß einen faszinierend brillanten Intellekt. Zudem ist sie als Vorbild für Generationen junger Mädchen eine wichtige Figur auf dem Wege der Gleichberechtigung der Frau in der modernen Gesellschaft. Geboren in Warschau und in einfachen, fast ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, kam sie bereits früh mit ihrem späteren Metier in Berührung. Ihre Eltern waren Lehrer, die aufgrund ihrer Unterstützung eines patriotischen Aufstandes allerdings ihrer Positionen enthoben wurden und daraufhin ein nicht unbeträchtliches Vermögen verloren. Maries Vater, der bis dahin Physik und Mathematik unterrichtet hatte, brachte seine Laborausrüstung mit nach Hause und begann, seine Kinder in ihrer Benutzung zu instruieren. Marie, die jüngste der fünf, war daran ganz besonders interessiert. Eine unstillbare Leidenschaft wurde entfacht.

    Marjane Satrapi setzt die ebenso erstaunliche wie dramatische Vita der großen Forscherin nun als historisches Biopic unter dem Titel „Marie Curie - Elemente des Lebens“ um. Dabei beleuchtet sie besonders den feministischen Aspekt, will dazu aber auch noch eine tragische Love-Story und die Entstehung eines Mutter-Tochter-Teams ausführlich erzählen sowie dem Zuschauer die wissenschaftlichen Entdeckungen der Titelheldin schlüssig erklären. Kein Wunder also, dass sich die „Persepolis“- und „The Voices“-Regisseurin dabei leider ziemlich verzettelt.

    Marie Curie ist eine von nur vier Personen, die mehr als einen Nobelpreis gewonnen hat ...

    1891 kommt Marie (Rosamund Pike) nach Paris, um an der Sorbonne Physik zu studieren. Aufgrund ihres Geschlechts hat sie dabei mit erheblichen Widerständen aus der damals exklusiv von Männern dominierten Wissenschaftswelt zu kämpfen. Doch dann trifft sie den Kollegen Pierre Curie (Sam Riley). Er nimmt sie nicht nur als Forscherin ernst, die beiden verlieben sich auch ineinander. Gemeinsam entdeckt das Paar die neuen Elemente Polonium sowie Radium und eröffnet der Menschheit in Form von radioaktiver Strahlung viele neue Möglichkeiten (und Gefahren).

    1903 werden die Curies dafür mit einem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet. Nachdem Pierre bei einem Unfall früh verstirbt, wirft sich seine Witwe nur noch rückhaltloser und ohne Beachtung der Folgen für ihre eigene Gesundheit in die Arbeit. Ein zweiter Nobelpreis, dieses Mal für Chemie und für sie allein, ist der Lohn. Bald schon ist Marie klar: Sie wird irgendwann in nicht allzu weiter Zukunft den ultimativen Preis für die Anerkennung und ihre Vorreiterrolle zahlen müssen...

    Stichpunkte aus der Wikipedia

    Eines muss man dem Film lassen: Er ist – zumindest streckenweise – unterhaltsamer als der emotional doch arg dröge und sperrig geratene „Marie Curie“ von Marie Noëlle. Am Ende ist Marjane Satrapis Film der französisch-polnisch-deutschen Version aus dem Jahr 2016, die nach „Madame Curie“ (1943) und „Marie Curie – Forscherin mit Leidenschaft“ (1997) bereits die dritte Kino-Verfilmung der Lebensgeschichte war, aber dennoch unterlegen. Das liegt vor allem daran, dass hier einfach zu viel gewollt wurde. So werden nicht nur - vom frühen Tod der Mutter bis zum eigenen Ableben - nahezu sämtliche Wikipedia-tauglichen Stichpunkte getreu der Chronistenpflicht durchgehechelt. Nebenher wird sie zur romantischen Heldin, zur Gleichberechtigungskämpferin und sogar zum Erklärbär für Physik-Laien hochstilisiert. Das ist einfach zu viel für einen gerade einmal 100 Minuten langen Film.

    Speziell der wissenschaftliche Aspekt wirkt dabei wie ein reingezwängter Fremdkörper. Nicht nur werden uns die verschiedenen Entdeckungen auf zwar durchaus effektive, aber aufgrund der unpassend modern anmutenden, computergenerierten, zeitweise gar als Trickfilm animierten Bilder doch arg befremdliche Art nahegebracht. Jack Thorne („The Aeronauts“) hat sein auf der Graphic-Novel „Radioactive: Marie & Pierre Curie, A Tale Of Love And Fallout“ basierendes Drehbuch zudem auch noch mit Flash-Forwards angereichert, in denen die heutigen Anwendungen beziehungsweise Auswirkungen der Entdeckungen anhand von kleinen, fiktiven Geschichten vorgestellt werden. So gibt es dramatische Bilder von einem krebskranken Kind, das durch Röntgen früh diagnostiziert und per Bestrahlung behandelt werden kann, sowie Aufnahmen von Atombomben-Tests oder des Reaktor-Unglücks in Tschernobyl. Schließlich wandelt Curie sogar selbst durch das zerstörte Hiroshima. Kann man an sich sicherlich alles machen – aber es funktioniert einfach nicht in einem Biopic, dass ansonsten derart konventionell, fast schon altbacken erzählt wird.

    ... aber es gibt auch noch weitere unerwartete Seiten an der berühmten Wissenschaftlerin.

    Die Einbindung ihrer romantischen Gefühle für den von Sam Riley („Maleficent - Die dunkle Fee“) gespielten Pierre ist hingegen verständlich und für die Entwicklung der Hauptfigur sogar immens wichtig. Außerdem ist die Beziehung zu ihrer später ebenfalls mit einem Nobelpreis ausgezeichneten Tochter Irene (Anya Taylor-Joy, „Split“) natürlich erwähnenswert. Aber auch durch sie wirkt der Film nur noch vollgestopfter. Wenig verwunderlich deshalb, dass die zu Beginn noch solide und merklich selbstbewusst auftretende Hauptdarstellerin Rosamund Pike (oscarnominiert für „Gone Girl“) in ihrem Part zunehmend verlorener wirkt.

    Hier hätte es spürbar mehr Mut und Konsequenz gebraucht. Satrapi hätte sich dem Metier entweder voll und ganz hingeben oder eben ein wirklich „anderes“, sich von den Mechanismen einer typischen Lebenslauf-Verfilmung lösendes, wahrlich experimentelles Biopic schaffen sollen. So sitzen sie und ihr Werk am Ende zwischen den Stühlen - und dürften so letztlich kaum jemanden wirklich zufriedenstellen.

    Fazit: Experimentelles Biopic und konventionelle Lebensgeschichte – „Marie Curie - Elemente des Lebens“ ist beides und deshalb auch nichts so richtig. Dasselbe gilt auch für die behandelten Stationen im Leben der Titelheldin – alles wird zumindest angeschnitten, aber nicht wirklich auserzählt.    

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