Die Independent-Filmemacherin Marianna Palka hat offenbar einen Hang zu unkonventionellen Frauenfiguren. In ihrem Langfilmdebüt „Good Dick“, der im Jahre 2008 auf dem Sundance Filmfestival Premiere feierte, erzählt sie von der Annäherung zwischen einer von ihr selbst gespielten masturbierenden Pornofilmfanatikerin und einem Videotheken-Angestellten. Der kontrovers aufgenommene Film wurde für den Großen Jurypreis nominiert, ging aber leer aus. Auch mit ihrem neuen Werk „Bitch“ war die aus Schottland stammende Regisseurin in diesem Jahr in Sundance zu Gast und sorgte erneut für zwiespältige Meinungen seitens der Kritiker. Kein Wunder, denn mit „Bitch“ legt sie nun ein ähnlich verschrobenes Werk nach – schließlich geht es um eine Familienmutter, die sich plötzlich wie ein Hund verhält. Aus dieser verrückten Prämisse spinnt Palka eine verstörend-unterhaltsame, aber recht holprig zwischen Tragik und Komik changierende Geschichte, deren satirisches und gesellschaftskritisches Potential sie zu selten ausnutzt.
Jill (Marianna Palka) ist Hausfrau, Mutter von vier Kindern, verheiratet mit dem erfolgreichen PR-Angestellten Bill (Jason Ritter) und total unglücklich. Das ist aber auch kein Wunder, immerhin ist ihr Mann dauerabwesend und betrügt sie. Während die Kinder herumplärren, fehlt ihr völlig die Zeit für sich selbst und ihr Interesse an der Malerei. Nach einem missglückten Selbstmordversuch taucht ein wilder Hund vor dem Küchenfenster auf, kläfft wie verrückt und löst in Jill offensichtlich etwas aus: Als Bill und die Kinder Jill später bellend und mit Kot beschmiert im völlig verwüsteten Haus vorfinden, sperren sie sie erst einmal in den Keller, während sie gemeinsam mit Jills Schwester (Jamie King) überlegen, wie es denn nun weitergehen könnte. Bill möchte die Sache möglichst geheim halten und schlüpft so zum ersten Mal in seinem Leben in die Rolle eines kümmernden Vaters...
Das Erste, was bei „Bitch“ ins Auge oder, besser gesagt, ins Ohr fällt, ist das Sounddesign von Morgan z Whirledge: Gleich zu Beginn penetriert das geniale akustische Chaos aus Hundebellen, rhythmischen Jazzversatzstücken und weiteren verzerrten Sounds den Zuschauer und versetzt ihn in Jills psychisch labile Situation, macht ihren Zivilisationsüberdruss fassbar. Ihre Tierwerdung scheint angesichts des erdrückenden Alltags als fast schon logische Konsequenz und dient Palka als Metapher eines Ausbruchs aus dem eng abgesteckten familiären Gehege. Mit dieser Metapher erinnert „Bitch“ in seiner Grundidee an Nicolette Krebitz’ Coming-of-Age-Drama „Wild“, in dem die Protagonistin mit einem Wolf anbändelt, sich ebenfalls tierisch gebärdet und schließlich in die Wildnis geht.
Doch wo Krebitz auf Kammerspiel und eine konstant bedrohliche Stimmung vertraut, mischt Palka böse Satire mit dramatischen Elementen zusammen und erzeugt so eine ambivalente Grundstimmung. Die erste Filmhälfte wird dominiert von karikaturesk gezeichneten Figuren und einem satirisch überhöhten Treiben. Da ist dann beispielsweise der trottelige Bill, der nicht weiß, wo seine Kinder zur Schule gehen, wegen des Kinderstresses während eines Telefonats vor Erschöpfung einfach umfällt oder in seiner ebenfalls völlig grotesken Agentur ein ums andere Mal vor seinem durchgeknallten Chef hockt. Das ist an einigen Stellen lustig, oft aber auch zu viel des Guten. Und dann entwickelt sich die Geschichte gerade im letzten Drittel zu einem waschechten kitschigen Sozialdrama, in dem der Rabenvater den wahren Sinn des Lebens neben der Arbeit erkennt und zu seinen Kindern findet. Man muss Palka zugestehen, dass diese krude Mischung mutig ist, der Spagat der Extreme allerdings nicht wirklich gelingt.
Ihre Hunde-Jill bleibt die meiste Zeit im Keller und ist damit nur Mittel zum Zweck dieses letztendlich dann trotz seiner Wildheit auf (seichte) Unterhaltung getrimmten Films, der auch bei seiner kritischen Botschaft ins Schwimmen gerät. Denn „Bitch“ ist ein bisschen feministisch, indem er patriarchale Rollenmuster vorführt, etwas gesellschaftskritisch, indem die neoliberale Arbeitswelt veräppelt wird, dabei aber immer auch selbstgenügsam und am Ende zu zahm. Das Credo ist dennoch ein schönes: Erst wenn der Mann auch zum Hund wird, hat er die wahre Liebe verstanden.
Fazit: In ihrem erzählerisch unausgeglichenen, aber unterhaltsamen „Bitch“ kommt Regisseurin und Schauspielerin Marianna Palka buchstäblich auf den Hund, landet dann aber doch in den gewohnten Mustern einer genügsamen Familien-Dramödie.
Wir haben „Bitch“ auf dem Fantasy Filmfest 2017 gesehen, wo er im offiziellen Programm gezeigt wird.