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    Die Farbe des Horizonts
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Farbe des Horizonts
    Von Carsten Baumgardt

    Allein auf dem Meer in allergrößter Seenot – und kaum eine Hoffnung auf Rettung: Man muss nicht mal selbst Segler sein, um diesen ultimativen Albtraum nachfühlen zu können. Aber so reizvoll so eine emotionale Grenzerfahrung als Filmstoff auch scheint, die Umsetzung ist dennoch eine ungeheure Herausforderung, denn Platz und Personal sind ja bei einer solchen Survival-Story naturgemäß stark begrenzt. Trotzdem versuchten sich jüngst erstaunlich viele Filmemacher an einem solchen Schiffbruch-Abenteuer: J.C. Chandor schickte Seebär Robert Redford in „All Is Lost“ ins Verderben, Colin Firth schipperte in „Vor uns das Meer“ solo in den Untergang, während Susanne Wolf in dem deutsch-österreichischen Drama „Styx“ nicht nur in Seenot geriet, sondern nebenbei auch noch die Flüchtlingskrise verhandelte.

    Der isländische Hollywood-Export Baltasar Kormákur („2 Guns“, „Contraband“), der mit seinem Bergsteiger-Actiondrama „Everest“ bereits Erfahrungen im Survival-Genre gesammelt hat, erzählt in seinem auf wahren Begebenheiten beruhenden Segler-Drama „Die Farbe des Horizonts“ nun parallel von einer extremen Notsituation auf hoher See und der süßlichen Romanze zweier abenteuerhungriger Aussteiger in Tahiti. So entpuppt sich der Film als die Young-Adult-Version eines Survival-Dramas, die zwar mit fantastischen Bildern von Kamera-Ass Robert Richardson („Kill Bill“, „Inglourious Basterds“) glänzt, aber dabei nur wenig erzählerischen Tiefgang entwickelt.

    Tahiti, 1983. Die Lebenskünstlerin Tami Oldham (Shailene Woodley) hat einen Tag nach ihrem Highschool-Abschluss in San Diego alles hinter sich gelassen und ist in die große weite Welt gezogen. Auch mit 23 hält sie sich nun noch immer mit Gelegenheitsjobs über Wasser – bis sie den Segler Richard Sharp (Sam Claflin) trifft und sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Eigentlich wollen sie mit Richards selbstgebauter 36-Fuß-Yacht Mayaluga gemeinsam die Welt bereisen, doch ein lukratives Angebot kommt ihnen erstmal dazwischen. Richard soll für reiche Bekannte deren 44-Fuß-Luxusyacht Hazana von Tahiti nach San Diego überführen. Richard traut sich die 4.000 Seemeilen lange Strecke über den Pazifik zu, obwohl er diese Distanz noch nie gesegelt ist. Die freiheitsliebende Tami schließt sich an. Nach ungefähr der Hälfte der Reise beginnt das Drama: Der Stufe-4-Hurrikan Raymond erwischt die Hazana voll. Aber nicht nur das Schiff wird schwer beschädigt, Tami bekommt auch einen Schlag auf den Kopf und wird bewusstlos. Als sie wieder zu sich kommt, fehlt von Richard jede Spur…

    „Die Farbe des Horizonts“ basiert lose auf dem autobiografischen Erfahrungsbericht „Red Sky In Mourning: A True Story Of Love, Loss And Survival At Sea“ von 2002, den die im Abspann auch selbst zu sehende Tami Oldham Ashcroft gemeinsam mit der Profiautorin Susea McGearhart geschrieben und anschließend im Selbstvertrieb herausgebracht hat. Der ausgewiesene Extremfilmer Baltasar Kormákur, der nicht nur „Everest“, sondern auch die Thriller-Serie „Trapped – Gefangen in Island“ an Schauplätzen mit zweistelligen Minusgraden gedreht hat, verzichtet dieses Mal zwar auf Eis und Schnee, lieferte sich dafür aber den schwierigen Bedingungen eines Drehs auf dem offenen Meer aus. Bis zu 14 Stunden am Tag filmte die Crew nach zwei Stunden Anfahrt auf hoher See – bis auf Regisseur Kormákur und Kameramann Robertson malträtierte die Seekrankheit das sich regelmäßig über die Reling reckende Team. Der Einsatz hat sich aber gelohnt, die Bilder wirken authentisch, unmittelbar und packend.

    Dazu glänzt „Die Farbe des Horizonts“ in den Rückblenden mit einem traumhaften Südpazifik-Setting (auch wenn die Fidschi-Inseln hier als Double für Tahiti herhalten mussten). Kormákur schneidet dabei immer wieder zwischen den Überlebensbemühungen auf der havarierten Yacht und den romantischen Rückblenden hin und her. Diese gewisse Schizophrenie des Films spiegelt sich auch ganz deutlich in der verschiedenen Ausrichtung des Marketings in Deutschland und den USA wider: Zwar zeigen sich hier wie dort die attraktiven Hauptdarsteller Shailene Woodley („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) und Sam Claflin („Ein ganzes halbes Jahr“) in innige verliebter Pose, aber der Rest könnte gegensätzlicher kaum sein.

    Während der Film in den Staaten „Adrift“ heißt und auf dem Poster im unteren Teil die ziemlich zerstörte Yacht in aussichtsloser Situation zu sehen ist, was offensichtlich den Survival-Aspekt des Films unterstreichen soll, zeigt das deutsche Poster unter dem süßlichen Titel „Die Farbe des Horizonts“ Richard kleines selbstgebautes Boot vor einem romantisch rotgefärbten Sonnenuntergang. Und tatsächlich halten sich diese beiden Pole im Film tatsächlich ziemlich genau die Waage, weshalb beide Marketingabsätze – und mögen sie noch so verschiedenen sein – absolut legitim erscheinen.

    Während es absolut passend ist, dass Sam Claflin im romantischen Part Sätze sagt wie „Ich bin um die halbe Welt gesegelt, nur um dich zu finden“, hält sich Kormákur – womöglich mit einem jugendlichen Zielpublikum im Hinterkopf – in den Survival-Sequenzen spürbar zurück. Es gibt zwar einige harsche Momente, etwa wenn Tami an einer Stelle Richards regelrecht zerschmettertes Bein zu behandeln versucht, aber man merkt trotzdem, dass der Regisseur aufpasst, die romantischen Erinnerungen an die rötlichen Sonnenuntergänge nicht komplett mit einer allzu naturalistischen Schilderung des Hochsee-Horrors auszulöschen. Dieser Teil des Films hätte ruhig noch eine ganze Ecke packender ausfallen dürfen.

    Fazit: Baltasar Kormákur findet in seinem Überlebens-Abenteuer „Die Farbe des Horizonts“ eine stimmige Mischung aus hochdramatischen Hochseenot-Szenen und der romantischen Vorgeschichte des später havarierenden Liebespaares – wobei er aus dem tragischen Teil deutlich mehr Emotionen herauskitzelt als aus der eher seichten Liebesgeschichte.

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