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    Die Abenteuer von Brigsby Bär
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Abenteuer von Brigsby Bär
    Von Michael Meyns

    An die „Truman Show“ darf man denken, auch wenn die künstliche Welt, in der die Hauptfigur von „Die Abenteuer von Brigsby Bär“ lebt, schon nach wenigen Minuten als Lüge entlarvt ist. Auch ein Film wie „Raum“ kommt in den Sinn, auch wenn das Kidnappingopfer in diesem Fall von seinen Entführern mehr als liebevoll aufgezogen wurde. Doch am Ende ist der passendste Vergleich dann doch der zur Netflix-Comedy „Unbreakable Kimmy Schmidt“ über eine junge Frau, die nach einer Kindheit und Jugend in der Isolation in eine total veränderte Welt gerät. Dass die Filmemacher und Freunde Dave McCary (Regie), Kevin Costello (Co-Drehbuch) und Kyle Mooney (Co-Drehbuch und Hauptrolle) genau wie „Kimmy Schmidt“-Mit-Schöpferin Tina Fey der „Saturday Night Live“-Sketch-Comedy-Schmiede entstammen, ist  „Die Abenteuer von Brigsby Bär“ anzumerken. Die insgesamt eher sanft-satirische Komödie fällt manchmal fast schon ein wenig zu nerdy und quirky aus, doch sehenswert ist die Independent-Produktion allemal.

    Das größte Vergnügen des 25-jährigen James (Kyle Mooney) ist die alte Fernsehserie „Brigsby Bear“ über einen mannsgroßen Teddy, der die Welt rettet. Immer und immer wieder schaut er sich die zunehmend von Bildstreifen durchzogenen Videokassetten mit den Bärenabenteuern an. Emotional ist James für sein Alter deutlich unterentwickelt, was auch daran liegt, dass er mit seinen Eltern Ted (Mark Hamill) und April (Jane Adams) in einem Bunker lebt und keinen Kontakt zu anderen Menschen hat, denn die Erde ist verseucht. Das zumindest haben April und Ted James erzählt, denn sie sind nicht seine wirklichen Eltern, sondern haben ihn als Baby entführt und tatsächlich liebevoll aufgezogen. Doch nun hat das FBI sie entdeckt und James kehrt zu seinen wirklichen Eltern (Matt Walsh und Michaela Watkins) zurück. Die sind überglücklich, ihren Sohn zurückzuhaben, auch wenn dieser sich in der für ihn völlig unbekannten neuen Welt zunächst mehr als schwer tut. Den Eltern wiederum macht vor allem seine Obsession mit „Brigsby Bear“ zu schaffen, zumal James bald beschließt, die TV-Serie als Film fortzusetzen …

    Wer glaubt, hier würde zu viel Handlung verraten, darf beruhigt sein: Das Geschilderte spielt sich komplett in den ersten zehn Minuten des kurzweiligen Films ab, die elaborierte Prämisse wird tatsächlich nur als Aufhänger benutzt. Es ist ein  bisschen schade, dass man schon nach wenigen Minuten den Bunker verlässt, wo James auf einem vorsintflutlichen Computer mit anderen Menschen – die natürlich nur fiktiv sind – Theorien über das Universum von „Brigsby Bear“ austauscht. Ein unverkennbarer Nerd ist dieser James, läuft am liebsten mit bunt bedruckten T-Shirts herum, kann stundenlang über winzigste Details seiner Lieblings-TV-Serie diskutieren und ist, was das Zwischenmenschliche angeht, eher unterentwickelt. Kurz gesagt: Er passt eigentlich perfekt in die moderne Welt und hat nach den unvermeidlichen Anlaufschwierigkeiten bald immer weniger Probleme, sich einzufügen.

    Dass der Anpassungsprozess dann doch nicht ganz so glatt abläuft, liegt an einer ganz und gar unzeitgemäßen Eigenschaft von James: Er ist nämlich entwaffnend naiv und probiert einfach alles aus, was ihm in die Hand gedrückt wird (vom ersten Bier bis zur ersten Pille), und Kyle Mooney hat sichtlich Spaß dabei, das große Kind zu spielen. Dass James seinen Entführern alles andere als böse ist (gut, einer von ihnen ist auch Luke Skywalker persönlich …), irritiert allerdings seine leiblichen Eltern, die die Vergangenheit ihres neugefundenen Sohns lieber vergessen möchten. Doch James mag nicht vom Bären Brigsby lassen, der ihm über all die Jahre ein guter Freund war, allerdings auch der einzige. Und so sorgt James mit seinem Beschluss, Brigsbys Abenteuer fortzusetzen und dabei selbst Regie zu führen, für einen weiteren Genrewechsel. Hübsche Amateurbilder inszenieren James und seine Freunde nun, auch diese in kurzen Sequenzen erzählt, die nicht zufällig oft an Sketche erinnern. Die Qualität von „Die Abenteuer von Brigsby Bär“ liegt weniger in einer über komplette 100 Minuten tragenden Handlung, in komplexen Figuren oder Themen, sondern in den kurzen Einzelszenen, in denen in zwei, drei Minuten eine Pointe auf den Punkt gebracht wird. Grundsympathisch ist das, ein wenig sentimental und nostalgisch, aber voller schöner Ideen und origineller Momente.

    Fazit: Aus der tollen Prämisse von „Die Abenteuer von Brigsby Bär“ hätte man womöglich noch mehr machen können, aber immerhin ist sie hier der Auftakt für einen amüsanten Film voller schöner Einzelideen und Momente.

    Wir haben „Die Abenteuer von Brigsby Bär“ im Rahmen des 70. Filmfestivals in Cannes gesehen, wo er als Abschlussfilm der Nebenreihe Semaine de la Critique gezeigt wurde.

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