Nur ein einziger Schauplatz, ein Mann in einer Extremsituation und ein gutes Mobilfunknetz: Aus diesen minimalistischen Zutaten lassen sich durchaus gelungene Thriller stricken. So glänzte „Deadpool“ Ryan Reynolds in „Buried – Lebend begraben“ beim dramatischen Versuch, sich im Wettlauf gegen die Zeit aus einem Sarg zu befreien. Und in „No Turning Back“ zeichnete Tom Hardy („The Dark Knight Rises“) dauertelefonierend am Steuer eines Autos das packend-tiefgründige Porträt eines Mannes, dessen gesamtes Leben aus den Fugen zu geraten droht. In Jesper Ganslandts „Der Kurier – In den Fängen des Kartells“ zeigt nun „Harry Potter“ Daniel Radcliffe als Pilot auf Solomission in einem kleinen Propellerflugzeug einmal mehr seine schauspielerische Wandlungsfähigkeit – kommt aber letztlich nicht gegen das inkonsequente Skript und die beliebig wirkende Inszenierung an.
Damit er die medizinische Behandlung seiner kranken Frau Jen (Grace Gummer) bezahlen kann, nimmt der Pilot Sean (Daniel Radcliffe) den Auftrag eines mexikanischen Drogenkartells an, Heroin in einer kleinen Cessna über die Grenze in die USA zu transportieren. Zugleich arbeitet er jedoch mit der US-Drogenbehörde DEA zusammen: Im Austausch gegen Informationen über das Kartell verspricht der Ermittler Bloom (Pablo Schreiber) Sean und Jen eine neue Identität im Zeugenschutzprogramm. Während des heiklen Flugs verschlechtern sich die Wetterbedingungen dramatisch und der Stresspegel steigt für Sean noch weiter, als er an Bord einen Anruf bekommt, aus dem hervorgeht, dass sich Jen in der Gewalt eines skrupellosen Kartellmitglieds namens Mr. Mallory (Robert Wisdom) befindet…
Drehbuchautor Adam Hoelzl, der mit „Der Kurier – In den Fängen des Kartells“ sein Debüt bei einem Langfilm gibt, erzeugt zu Beginn recht clever Spannung, indem er das Publikum zunächst ohne Erklärungen mitten in den nächtlichen Drogenflug hineinwirft, um dann nach und nach verschiedene Puzzleteile der Vorgeschichte zu enthüllen. So erfährt der Zuschauer in einer ersten kurzen Rückblende vorläufig nur, dass Seans Freundin Jen während der Schwangerschaft ihr Kind verloren hat. Erst später läuft diese Szene weiter und es kommt heraus, dass bei ihr im Zuge der Untersuchung eine schwere Krankheit festgestellt wurde und sie dringend eine Operation benötigt.
Durch das häppchenweise Aufdecken von Informationen bekommt die im Grunde simple Story etwas Dramatik, doch im weiteren Verlauf des Films reichen diese Kniffe schon bald nicht mehr aus, um die fehlende Substanz des Ganzen zu überdecken. Dass „Der Kurier – In den Fängen des Kartells“ nicht noch schneller abschmiert, ist vor allem Daniel Radcliffe zu verdanken, der nach „Swiss Army Man“, „Jungle“ und „Imperium“ einmal mehr mit einer eigenwilligen Rollenwahl verblüfft. Die wachsende Panik des Piloten, die von ordentlich Wut im Bauch flankiert wird, bringt er glaubwürdig und beeindruckend engagiert rüber, doch bleibt der Kampf seiner Figur letztlich rein äußerlich, denn über sein Innenleben, seine Gedanken, seinen Charakter erfährt man herzlich wenig.
Nun muss natürlich nicht jeder Thriller bis in kleinste Feinheiten psychologisch ausgefeilt sein, aber für ordentlich Spannung sollte schon gesorgt sein. Doch hier wird Radcliffe von seinem schwedischen Regisseur Jesper Ganslandt („Blondie“) schlicht im Stich gelassen. Denn der beschränkt sich in seinem US-Debüt insbesondere bei den Flugszenen auf monotone und spannungslose Bildkompositionen und zeigt Radcliffe entweder von vorn oder im 90-Grad-Winkel zur Flugrichtung vor einem dunkelblauen CGI-Wolkenhintergrund, der auch das Cockpit in tristes Halbdunkel taucht.
Die düsteren Lichtverhältnisse ändern sich auch nicht in der Schlussviertelstunde, die dann tatsächlich außerhalb der Maschine am Boden spielt. Die Filmemacher schmeißen ihre schlüssige Fokussierung auf einen Schauplatz dabei komplett über Bord und vergessen vor lauter plötzlichen Wendungen und aufgesetzt wirkenden Actionszenen die letzten noch ausstehenden Puzzleteile um Jens Gesundheitszustand und den Deal mit der DEA plausibel zusammenzufügen. Ziemlich ärgerlich, wenn man bedenkt, wie viel Mühe zuvor darauf verwendet wurde, den Zuschauer gerade dadurch bei der Stange zu halten.
Fazit: Für einen 90-minütigen Spielfilm fehlt dem Thriller „Der Kurier – In den Fängen des Kartells“ eindeutig die erzählerische Substanz und so müht sich der engagierte Daniel Radcliffe in der Hauptrolle letztlich vergeblich.