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    Das Blut von Dracula
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Blut von Dracula
    Von Jan Hamm

    Seit über 80 Jahren bevölkert der blutsaugende Graf Dracula in unterschiedlichsten Inkarnationen nun schon die Kinoleinwand. Unter all den zahllosen Interpretationen der Bram-Stoker-Vorlage konnten nur wenige dem Zahn der Zeit widerstehen und die Figur nachhaltig prägen. Allen voran Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm-Meisterwerk Nosferatu, eine Symphonie des Grauens von 1922, in dem Max Schreck den vielleicht unheimlichsten Untoten der Filmgeschichte mimt. 1931 folgte ihm Bela Lugosi in der ersten offiziellen Verfilmung des Dracula-Stoffes. Lugosi gelang es ebenfalls, dem Grafen seinen Stempel aufzudrücken. Werner Herzogs Quasi-Remake des Murnau-Klassikers, Nosferatu – Das Phantom der Nacht (1978), betonte den tragischen Aspekt des Vampirdaseins, kongenial ausgelebt von Klaus Kinski. Und dann war da natürlich noch der große Mann mit der bislang längsten Filmographie aller Zeiten: Christopher Lee. In „Dracula“ (1958) aus dem britischen Hause Hammer schlüpfte er zum ersten Mal in die Haut des Blutsaugers, der ihn zum Kultstar machen sollte. Später weigerte er sich, die Rolle weiterhin zu spielen, um nicht vollständig mit ihr identifiziert zu werden. Eine gescheite Idee, denn bereits in „Das Blut von Dracula“, Lees viertem von sieben Auftritten unter dem Banner der Hammer Studios, ist von der Faszination der Figur nicht mehr viel zu spüren. So belanglos sein Vampir hier ist, so amüsant ist glücklicherweise der Rest des Films. Die üppige Ausstattung, das herrliche Overacting und ein spöttisch gezeichnetes Bild der viktorianischen Upper Class machen „Das Blut von Dracula“ auch heute noch zu einem trashigen Vergnügen, von dem man allerdings weder Spannung noch Horror erwarten sollte.

    Der Film schließt nahtlos an seinen Vorgänger „Draculas Rückkehr“ an. Handelsmann Weller (Roy Kinnear) wird seiner Habe beraubt, unsanft aus einer Kutsche befördert und irrt desorientiert durch den Wald. Dort stolpert er über den gepfählten Graf Dracula (Christopher Lee, Herr der Ringe – Die zwei Türme), der soeben seinen letzten Atemzug tut und dann zu Staub zerfällt. Derweil in London: Drei alternde Lüstlinge (Geoffrey Keen, John Carson und Peter Sallis) geben sich als wohltätige Gentlemen, sind aber zutiefst vom Adelsleben gelangweilt und stets auf der Suche nach neuen Kicks. Selbst der Opiumschuppen samt Nackttänzerinnen hat ihnen nichts Neues mehr zu bieten. Deshalb wenden sie sich an den misstrauisch beäugten Lord Courtley (Ralph Bates), dem okkultue Umtriebe nachgesagt werden. Tatsächlich schwört dieser die neugierige Bande postwendend auf den Teufel ein und ersteht mit ihrem Geld die Reliquien Draculas, die Weller seit seinem Aufeinandertreffen mit dem Vampirfürsten sicher verwahrt hat. So ausgestattet begibt sich das Quartet in eine leerstehende Kirche und zelebriert ihr Ritual, bei dem Courtley ungünstigerweise unter Krämpfen auf dem Kapellenboden verstirbt. Panisch fliehen die drei Gentlemen – nicht ahnend, dass die Wiedererweckung erfolgreich war. Dracula weilt wieder unter den Lebenden und ist ausgesprochen schlecht gelaunt...

    Mit der klassischen Dracula-Geschichte hat das natürlich längst nichts mehr zu tun, könnte aber als zweckdienlicher Horrorplot funktionieren – wenn überhaupt etwas mit der Figur passieren würde. Aber ob die Bedrohung nun Dracula oder Hotzenplotz heisst, ist hier vollkommen egal. Christopher Lee hat knappe fünf Minuten Leindwandzeit und in denen darf er auf der Jagd nach seinen Wiedererweckern einmal bis drei zählen und boshaft in die Kamera funkeln. Im Finale kommt dann noch ein zweiter Gesichtsausdruck dazu, als der erstaunte Graf einmal mehr ins Gras beißen muss. So lasch hat man den Fürst der Finsternis selten gesehen. Alles, was im ersten Dracula-Streifen noch erhaben und sinister wirkte, wird hier vom Drehbuch konsequent abgewürgt. Christopher Lee bekommt keinen Raum, den Charakter mit untotem Leben zu füllen. Kein Wunder, dass ihm die Lust an der Rolle vergangen ist und „Das Blut von Dracula“ den Wendepunkt markiert, ab dem die Genrefilme der Hammer Studios langsam an Popularität einbüßten. Mit dem Gothic Horror, den die traditionsreiche Filmschmiede einst begründete, hat diese uninspirierte Fortsetzung nichts mehr am Zylinder. Oft genug ist das Geschehen eher komisch - wobei bei Hammer-Produktionen natürlich stets streitbar ist, zu welchen Anteilen dies unfreiwillig oder intentionell passiert.

    Da „Das Blut von Dracula“ so wenig Dracula hat, muss er umso mehr Drumherum haben. Und da offenbaren sich eine Reihe von Qualitäten, die den Film letztendlich doch noch unterhaltsam gestalten. Als eine der teuersten Hammer-Produktionen geltend, wartet er vor allem mit einer tollen Ausstattung auf. Die Kostüme sind opulent und die Interiors detailverliebt und atmosphärisch. Richtig spaßig ist dabei der Bordellbesuch der drei Herren, die sich von einem tuntigen Concierge und einem ungelenkigen Schlangentanz umgarnen lassen. Vor allem in dieser Sequenz nimmt der Film die versnobbte Doppelmoral der viktorianischen Aristokratie genüßlich auf die Schippe. Denn sobald Lord Hargood, der Kopf der Truppe, wieder im heimischen Anwesen einfällt, führt der gestrenge Patriarch sich als Gralshüter prüder Sexualmoral auf und verbietet seiner frisch verliebten Tochter Alice (Linda Hayden) den Ausgang. Unnachgiebig und ohne Rechtfertigung hält er deren Schwarm Paul (Anthony Higgins) auf Distanz, um sich daraufhin selbst wieder ins sündige Vergnügen zu stürzen. Ironischerweise ist es dann auch Paul, der die Misere wieder in Ordnung bringen und gegen Dracula zum Showdown antreten muss. Bis es so weit ist, gibt es noch jede Menge feinstes Overacting zu bestaunen, etwa von Courtley-Darsteller Ralph Bates, der seine klischeetriefenden Teufelseinschwörungen und Verheißungen herausbellt, als befände er sich auf einer Shakespeare-Bühne. „Would you sell your soul to the devil?“ Warum eigentlich nicht, bei einem so vertrauenerweckenden Herren?

    Fazit: „Das Blut von Dracula“ bezieht seinen Charme aus seinen trashigen Momenten, die dank der übertrieben agierenden Darstellerriege, den triefend kitschigen Dialogen und der Abwesenheit jeglicher Art von Spannung prominent vertreten sind. „Wie schmeckt das Blut von Dracula?“, so der Titel vor dem Re-Release, ist dann eine Frage, die aufgrund der unwürdigen Abhandlung des Vampirfürsten nicht mehr von Interesse ist. Schade, dass Christopher Lee derart verheizt wurde. Als Horrorstreifen ein Totalausfall, ist der Film auf seine Art dann doch eine vergnügliche Angelegenheit - ein staubiges aber hübsches Museumsstück, so wie es die Hammer Studios inzwischen selbst sind.

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