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    Borg/McEnroe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Borg/McEnroe
    Von Carsten Baumgardt

    Warum gibt es eigentlich so wenige Tennis-Kinofilme? Liegt es wirklich nur daran, dass der einstmals weiße Elitesport weder in den USA noch in Europa zu den Top 5 der beliebtesten Sportarten gehört? Wohl kaum. Es werden Haufenweise Filme über Golf, Autorennen oder Wrestling gedreht, die in der Beliebtheitsskala hinter Tennis rangieren. Aber die spannende, leinwandgerechte Darstellung des Spiels ist eben ausgesprochen kompliziert. Da langweilt man die Zuschauer leicht mit den immer gleichen Ballwechseln aus der klassischen TV-Perspektive und generell ist es nahezu unmöglich, einen professionellen Schauspieler in der Totalen so realistisch Tennis spielen zu lassen, dass es Kennern nicht auffällt. Diese fundamentalen Probleme hat Dokumentarfilm-Spezialist Janus Metz („Armadillo“) in seinem Tennis-Biopic „Borg/McEnroe“ bravourös durch kreative Kameraperspektiven und einen innovativen, superschnellen Schnitt gelöst. So wirkt die schwedisch-dänisch-finnische Co-Produktion in den vielen Spielszenen dynamisch und abwechslungsreich. Aufgezogen als Charakterdrama über die größte Rivalität zweier Akteure in der gesamten Tennisgeschichte ist „Borg/McEnroe“ in der Dramaturgie oft ausrechenbar und konventionell, aber die hervorragenden Schauspielerleistungen, die Emotionalität und der technische Einfallsreichtum ziehen einen dennoch in dieses so ungleiche Duell zwischen zwei Lebensphilosophien.

    Juni, 1980: Der schwedische Weltranglistenerste Björn Borg (Sverrir Gudnason) hat einen Monat zuvor zum fünften Mal die French Open gewonnen und strebt beim wichtigsten Grand-Slam-Turnier des Jahres in Wimbledon etwas Historisches an: Der 24-jährige Grundlinienspieler will das traditionsreiche Londoner Rasenturnier zum fünften Mal in Folge gewinnen - ein Erfolg, der zuvor noch niemandem gelungen ist. Doch der kühle Borg hadert mit sich selbst und dem Leben. Seine Ehefrau Marina Simionescu (Tuva Novotny) und sein Trainer Lennart Bergelin (Stellan Skarsgard) versuchen mit viel Geduld Borgs Konzentration auf das richtungsweisende Turnier hochzuhalten. Die Medien spitzen das Event auf ein Duell zwischen Borg und seinem jungen Herausforderer John McEnroe (Shia LaBeouf) zu. Der 21-jährige New Yorker ist ein hochgradig talentierter Heißsporn, der sein Herz auf der Zunge trägt und sich regelmäßig mit Schiedsrichtern und dem Publikum anlegt. Der Angriffsspieler lauert auf seine Chance, Borg im Finale zu entthronen…

    Noch mehr als von charismatischen Superstars lebt der Tennissport von der Rivalität zwischen diesen Legenden - Rod Laver Vs. Ken Rosewall, John McEnroe Vs. Ivan Lendl, Boris Becker Vs. Stefan Edberg, Pete Sampras Vs. Andre Agassi, Roger Federer Vs. Rafael Nadel. Genau diesen Aspekt hat Regisseur Janus Metz für sein auf zwei Wochen im Sommer 1980 fokussiertes Sport-Drama „Borg/McEnroe“ als treibende Kraft herausgeschält und benutzt ihn als Motor seines Films, in dessen Zentrum ganz eindeutig Björn Borg steht. Dieses Ungleichgewicht bei der Verteilung der Leinwandzeit auf die beiden Duellanten ist durchaus nicht unproblematisch – so bleibt am Ende das Gefühl, dass McEnroe eigentlich die interessantere Figur ist, von der einige Facetten aber nur angedeutet, aber nicht wie bei Borg ausformuliert werden.

    Natürlich ist Borg auch nicht langweilig. Metz zeigt den als „Eisborg“ bekannten Schweden als extrem introvertiert, krankhaft abergläubisch, perfektionistisch und doch unterschwellig jähzornig. Er zweifelt an sich, seinem Sport, dem Leben und dem Popstar-Image, das ihm verpasst wurde. Bei der offensichtlichen Frage nach dem „Warum“ kommt der Däne Metz der Legende allerdings nur mühsam auf die Spur. Okay, der Ruhm und die permanente Öffentlichkeit zehren an Borg, der das Rampenlicht scheut - und schlussendlich als Konsequenz sehr früh mit 26 Jahren offiziell seine Karriere beendete (spätere Comeback-Versuche misslangen allesamt).

    Aber abseits dieser konventionellen Erzählung bietet Metz zumindest immer wieder geniale visuelle Ideen, wie zum Beispiel eine atemberaubende Einstellung zu Beginn, die Borg in seinem Luxusapartment in Monte Carlo von hinten zeigt, wie er mit nacktem Oberkörper grüblerisch auf die Cote D’Azur blickt und plötzlich (lebensgefährliche) Liegestütze auf dem Geländer hoch oben über der Straße macht. Hier bringt Metz den Protagonisten Borg in einer einzigen prägnanten Szene auf den Punkt, den Rest versucht er über Rückblenden in die Kindheit und Jugend zu erklären, wo der aus einfachen Verhältnissen stammende Wildfang gezähmt werden sollte. Diese Rückgriffe sind am starrsten und klischeehaftesten, weil sie verkürzt verschiedene Eigenschaften dokumentieren müssen. Der Schwede Sverrir Gudnason („Ein ernsthaftes Spiel“, „Flugparken“) war zwar zum Zeitpunkt des Drehs schon 38 und damit eigentlich viel zu alt, um den damals 24-jährigen Borg zu spielen, aber das fällt überraschenderweise gar nicht weiter auf oder sogar negativ ins Gewicht. Gudnason gelingt es vielmehr perfekt, den Bewegungsrhythmus Borgs zu adaptieren (und dazu sieht er ihm im Film auch noch verdammt ähnlich).

    Für die erzählerische Dynamik ist der Charakter des John Patrick McEnroe natürlich ein Geschenk, weil er (auf den ersten Blick) im krassen Gegensatz zu dem keinerlei Emotionen zeigenden Borg steht. McEnroe ist jung, wild und laut. Ein intelligenter Rebell, der seine berühmt-berüchtigten Wutausbrüche auf dem Platz auch aus taktischem Kalkül einsetzt, um den Gegner mit dem Gepöbel (sein Standardspruch zu Schiedsrichtern: „You cannot be serious“) aus dem Rhythmus zu bringen. Was Metz hervorragend macht, ist der Blick hinter die Fassade McEnroes. Die Medien wollen ihn als Antagonisten aufbauen und auf die Meckerei reduzieren, während der Tennisbesessene McEnroe über das Spiel reden will, offen ist und reflektieren kann. Der experimentierfreudige Ex-„Transformers“-Star Shia LaBeouf („Nymphomanic“, „Herz aus Stahl“) zeigt wie schon zuletzt in dem Indie-Glanzstück „American Honey“ eine große Leistung als scheinbar rüpelhafter Herausforderer. Brüder im Geiste sind McEnroe und LaBeouf ja ohnehin.

    Obwohl „Borg/McEnroe“ eine schwedische Co-Produktion ist, eröffnet der Film insoweit eine neue Perspektive, als dass er die Kontrahenten nicht wie damals in „gut“ (=Borg) und „böse“ (=McEnroe) einteilt. Wo im Stadion und an den Fernsehschirmen die Mehrheit mit Borg mitfieberte, ist es im Film nun der kantige, aber grundehrliche Querkopf McEnroe, der mit seiner Unangepasstheit Sympathien einsammelt, während sich Borg auch mal als anstrengende Primadonna entpuppt.

    Es ist Metz hoch anzurechnen, dass er zwar ein Charakterdrama erzählt, aber gleichzeitig auch einen Film über Tennis gedreht hat. Die Atmosphäre und das Setting auf dem Platz und in Wimbledon sind fiebrig und stimmig, begünstigt durch den rasanten Schnitt, der das Spiel beschleunigt und dramatisiert, auch weil Kameramann Niels Thastum („When Animals Dream“) immer wieder außergewöhnliche Blickwinkel findet. Das mag für den geübten Tennisgucker ungewohnt sein, hat im Medium Kinofilm aber unbedingt seine Berechtigung. Da sieht man über kleinere Überspitzungen der Wirklichkeit gern hinweg. Im Film wird etwa der Eindruck erweckt, dass Borg zum ersten Mal auf McEnroe trifft, was natürlich nicht stimmt. Es war das seit 1978 bereits achte Spiel zwischen den beiden.

    Fazit: Erzählerisch mag Janus Metz‘ Sport-Drama „Borg/McEnroe“ etwas simpel gestrickt sein, aber als hervorragend gespieltes Charakterporträt über die Rivalität zweier charismatischer Tennissuperstars ist der Film dennoch mitreißend unterhaltsam.

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