Mein Konto
    Cats
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Cats

    Gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig

    Von Oliver Kube

    Seit seiner Uraufführung 1981 im New London Theatre haben mehr als 80 Millionen Zuschauer in 50 Ländern „Cats“ live gesehen. Damit ist das von Andrew Lloyd Webber komponierte, auf einem Gedichtband von T.S. Eliot basierende Musical eines der erfolgreichsten Bühnenstücke aller Zeiten. Allein in Deutschland lief die Show satte 15 Jahre lang allabendlich in Hamburg im eigens dafür umgebauten Operettenhaus in unmittelbarer Nähe der Reeperbahn. Später gab es dann noch ausführliche Gastspiele in Stuttgart, Berlin, Düsseldorf, Hannover, Bremen, München, Dresden und Leipzig.

    Entsprechend gewaltig war das globale Interesse, als Mitte Juli 2019 endlich der erste Trailer zur Kino-Adaption des oscargekrönten Regisseurs Tom Hooper („The King’s Speech“) erschien. Allerdings fiel die Reaktion der Fans in den sozialen Netzwerken doch reichlich anders aus, als es sich die Macher des Musical-Dramas wohl erhofft und erwartet hatten. Statt die Vorfreude anzuschüren, ergossen sich Spott und Häme über die durch massiven Einsatz von CGI-Effekten eher gewöhnungsbedürftigen Bilder der Mensch-Katzen-Hybriden. Die Optik ist trotz Last-Minute-Nachbesserungen dann auch das größte Problem an „Cats“ – erst in einigem Abstand folgt dann noch die deutsche Synchronisation der Gesangspassagen.

    Die singenden Katzen erobern nun auch das Kino.

    In der Londoner Innenstadt lebt, angeführt von der weisen Old Deuteronomy (Judi Dench), eine Schar von Katzen in Hinterhöfen. Zu den sogenannten Jellicle Cats stößt nun auch die von ihren menschlichen Besitzern ausgesetzte Victoria (Ballettstar Francesca Hayward). Ihre neuen Freunde heißen sie willkommen und berichten ihr von einem jährlichen Wettbewerb unter ihnen. Wer das schönste Lied singt, darf in den Katzenhimmel aufsteigen und dort ein wundervolles neues Leben beginnen. Klar, dass alle gewinnen wollen – darunter der alte Gus (Ian McKellen) und der kluge Munkustrap (Robert Fairchild) sowie der rücksichtslose und böse Macavity (Idris Elba). Nur eine unter ihnen scheint an all dem kein Interesse zu haben: Grizabella (Jennifer Hudson), die schwermütige, völlig heruntergekommene und von den anderen gemiedene, einst schönste „Mieze“ der Stadt...

    Aufgrund der bereits genannten Rekorde ist es schon verwunderlich, dass es fast vier Dekaden gedauert hat, bis nun eine Kinoversion des Webber-Musicals an den Start geht. 1998 gab es zwar bereits eine TV-Adaption, aber das war wenig mehr als eine mitgefilmte Bühnen-Performance ohne Publikum. Was immer man nun über das Figurendesign von „Cats“ denken mag, Regisseur Tom Hooper gebührt auf jeden Fall Respekt für den Mut, sich des zweifellos schwierig umzusetzenden Projekts überhaupt anzunehmen und es dann so radikal nach seinen ganz persönlichen Vorstellungen zu verwirklichen. Hoopers letztes Musical, das mit drei Oscars prämierte „Les Misérables“, wurde von ihm schließlich noch deutlich nüchterner realisiert.

    Katzen wie aus einem Horrorfilm

    Aber funktioniert der Mix aus felligen Kostümen, prosthetischem Make-up und CGI-Effekten auf der großen Leinwand besser als beim Trailer-Gucken am PC oder auf dem Smartphone? Leider nur bedingt. Denn bei gigantischen Nahaufnahmen wirken viele der felinen Stars weiterhin seltsam unheimlich. Speziell den Gesichtern der Figuren von Jennifer Hudson („Dreamgirls“), Idris Elba („Fast & Furious: Hobbs & Shaw“) und Judi Dench („James Bond 007 - Skyfall“) haftet etwas albtraumhaft Gruseliges an. Richtiggehend sympathisch kommen hingegen der pummelige Bustopher Jones (James Corden), die alte Theaterkatze Gus, der mit kleinen Zaubertricks auftrumpfende Mr. Mistoffelees (Laurie Davidson) und die eigentliche Protagonistin der Victoria rüber. Das könnte daran liegen, dass bei ihnen das Make-up deutlich theatralischer aussieht und weniger, als wären sie Opfer misslungener Schönheitsoperationen. Aber selbst hier irritieren die am Computer geradezu hyperaktiv in Bewegung gebrachten Ohren, Schnurrbarthaare und überlangen, sich laufend ins Bild drängenden Schwänze.

    Die CGI-Effekte bereiten dem Zuschauer aber noch weitere Probleme: Die Idee, die Katzen nicht menschengroß darzustellen, sondern in den Ausmaßen ihrer Pendants in der realen Welt, klingt ja erst einmal interessant. Allerdings verändert sich der Maßstab seltsamerweise in einer Tour. Mal reichen die Jellicles aufrechtstehend bis zu einer Türklinke, sind also etwa einen knappen Meter groß. Kurz darauf wirken sie neben einem parkenden Auto, als würden sie kaum 30 Zentimeter messen. Dann wiederum sind die Mäuse, mit denen sie tanzt, plötzlich deutlich kleiner als Jenny Fleckenfells (Rebel Wilson) Ohren, bevor sie wenig später fast halb so groß sind wie die ganze Gumbiekatze. Oder Bustopher Jones hält eine viel zu kleine Hühnerkeule in der Pfote, während er unter einer Flasche liegt, deren Öffnungsdurchmesser so groß ist wie sein Kopf. Die ärgerliche Springerei im Maßstab zerstört leider viel von der Illusion.

    Wie groß sind diese Katzen jetzt noch mal?

    Kommen wir zum letzten Punkt, der mit dem Aussehen der Katzenviecher zu tun hat, nämlich ihrer teilweise geradezu aufdringlichen Sexualisierung. Wer etwa Rebel Wilson schon in „Brautalarm“ oder der „Pitch Perfect“-Reihe gesehen hat, weiß: Die Australierin tritt in ihren Rollen gern krass und aggressiv dem anderen Geschlecht gegenüber auf. Das ist hier nicht anders. Viele ihrer Posen (auf dem Rücken liegend, mit gespreizten Beinen in der Luft oder auf allen Vieren mit in die Höhe gerecktem Hinterteil) sind mehr als zweideutig. In Anbetracht dessen, dass sie ohne Kleidung, nur mit ihrem Fellkostüm, als Katze quasi nackt sein soll, kommen die Szenen allerdings weder sexy noch provokant, sondern einfach nur ziemlich creepy rüber.

    Ja, es ist ein Film – und deshalb ist der visuelle Faktor natürlich von herausragender Bedeutung. Aber trennen wir uns trotzdem mal für einen Moment vom Aussehen der Protagonisten. Dass die Handlung – so hauchdünn und offengesagt beknackt sie auch sein mag – für ein Massenpublikum bestens zu funktionieren scheint, haben die in der Einleitung genannten Zahlen ja längst belegt. Da man sich größtenteils an den Szenenablauf des Originalstücks hält, befindet sich „Cats“ diesbezüglich klar auf der sicheren Seite. Die größte, letztlich aber irrelevante Abweichung: Old Deuteronomy, in der Vorlage ein Kater, ist nun weiblich. Wer an der Geschichte der exzentrischen Tierchen auf der Bühne Spaß hatte, wird – so man denn mit der Optik irgendwie leben kann – also voll auf seine Kosten kommen.

    Die Songs sind super – aber im Deutschen gibt es ein Problem

    Fehlt noch der finale und natürlich zentral mitentscheidende Punkt – die Musik: Andrew Lloyd Webbers Songs, wie das immer wieder ergreifende „Memory“, das verspielte „Bustopher Jones: The Cat About Town“ oder das stampfende „Macavity: The Mystery Cat“, wurden von Marius de Vries („Moulin Rouge“, „La La Land“) schwungvoll, swingend-jazzig und mit einem unaufdringlich modernen Pop-Appeal exzellent arrangiert und produziert. Es macht auf jeden Fall Spaß, den Soundtrack anzuhören. Er ist der beste Aspekt des Films. Dazu trägt auch ein brandneuer Song bei, den im Film zwar Hayward, im Abspann dann aber Superstar Taylor Swift noch einmal in voller Länge singt. Was Sinn macht, da sie es war, die „Beautiful Ghosts“ in Kollaboration mit Webber selbst geschrieben hat.

    Da uns in der Pressevorführung aber nur die deutschsprachige Version des Films gezeigt wurde, wollen wir auch nicht versäumen, einen Punkt anzusprechen, der manchem Zuschauer sauer aufstoßen könnte. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die deutschen Stimmen – sowohl bei den Sprech- als auch bei den Gesangspassagen – sind richtig gut. Bei Profis wie Thomas Amper, Pia Allgaier und Manuel Straube ist das auch kein großes Wunder. Das Problem ist aber: Schätzungsweise zwei Drittel des Librettos werden gesungen. Da die Macher der hiesigen Version aber verständlicherweise die aus zigtausenden von Aufführungen bekannten deutschen Texte der Lieder unverändert präsentieren wollten, ist es in diesen Momenten praktisch unmöglich, wie bei frei übersetzten Dialogen eine möglichst große Lippen-Synchronität zu gewährleisten. Wer darüber hinwegsehen kann, dass sich besonders bei den Großaufnahmen die Münder der Sänger ganz anders bewegen, als sie es aufgrund der zu hörenden Worte sollten, ist also definitiv im Vorteil.

    Fazit: Bei der Optik hakt’s (ganz gewaltig)! Man muss es schaffen, sich mit dem arg gewöhnungsbedürftigen Look der Figuren und den auch sonst nicht immer glücklich eingesetzten CGI-Effekten anzufreunden oder sie zu ignorieren. Wem das gelingt, der kann hier ebenso viel Spaß und Freude haben wie das Publikum einer regulären „Cats“-Musical-Aufführung. Für eher visuell veranlagte Kino-Fans dürften es hingegen extrem lange 110 Minuten werden...

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top