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    Leichen unter brennender Sonne
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Leichen unter brennender Sonne
    Von Michael Meyns

    Das bestimmende Element der Filme von Hélène Cattet und Bruno Forzani ist das (Genre-)Zitat. Schon ihr allseits gefeiertes Debüt „Amer – Die dunkle Seite deiner Träume“ und der noch etwas bessere Nachfolger „The Strange Colour Of Your Body's Tears“ (für uns einer der besten Horrorfilme aller Zeiten) waren vollgestopft mit Verweisen und Anspielungen auf Giallos, diese ganz speziellen, von Exzess, Blut und Sex geprägten italienischen Genrefilme, mit denen Regisseure wie Dario Argento („Rosso – Farbe des Todes“) oder Mario Bava („Blutige Seide“) zu Horrorfilm-Legenden wurden. In „Leichen unter brennender Sonne“ erweitert das belgisch-französische Regieduo nun seinen Blick und bedient sich vornehmlich bei Italo-Western sowie den Poliziottesco genannten, oft extrem brutalen italienischen Polizeifilmen der 1970er Jahre. Dabei reihen Cattet und Forzani erneut etliche wunderbar-exzessive Einzelmomente und Stilmittel aneinander, aber nach einer Weile beginnt man sich dann doch zu fragen, wieviel des Guten dann womöglich doch zu viel des Guten ist.

    Im Gegensatz zu den noch stärker experimentellen Vorgängern hat „Leichen unter brennender Sonne“ zumindest den Anflug von etwas, das man Story nennen könnte: Die Malerin Luce (Elina Löwensohn, „Schindlers Liste“) lebt auf Korsika in einer auf einem Hügel gelegenen Burgruine. Neben ihrem Liebhaber Bernier (Marc Barbe) wohnt dort auch der Gangster Rhino (Stéphane Ferrara), der mit seinen Kumpanen gerade einen blutigen Überfall auf einen Gold-Transport durchgeführt hat. Die Polizei in Gestalt von zwei in schweres dunkles Leder gekleideten Motorrad-Cops ist den Verbrechern dicht auf den Fersen. Es kommt zu einem Shootout, der die ganze folgende Nacht hindurch andauern wird…

    Wenn im Vorspann von „Leichen unter brennender Sonne“ geschrieben steht, dass der Film auf dem 1971er-Roman „Laissez Bronzer Les Cadavres“ der Pulp-Autoren Jean-Patrick Manchette und Jean-Pierre Bastid basiert, dann ist das in Anbetracht der vor allem visuellen und ohne klassischen Plot auskommenden Struktur der beiden Vorgänger doch eine kleine Überraschung. Aber die eh schon knappe Handlung des Romans wird in der Verfilmung noch weiter auf das absolute Minimum heruntergebrochen – diverse Figuren versammeln sich an einem Ort, um sich gegenseitig über den Haufen zu schießen! Gerade im Genrekino ist eine solch rudimentäre Handlung nicht selten – schließlich geht es hier sowieso weniger um das „Was“ als das „Wie“ der Erzählung.

    Und das „Wie“ ist wie immer bei Cattet und Forzani ein einziger durchgängiger Rausch, ein hemmungsloser visueller und akustischer Exzess, eine wilde, fiebrige Aneinanderreihung von Versatzstücken und Zitaten. Praktisch jede Einstellung ist etwas Besonderes, gespickt mit extremen Nahaufnahmen (der Augen), ständigen Reißschwenks, Flash-Zooms. Die Bilder haben dazu eine extrem körnige Textur, die dem Drehen auf Super-16-Film geschuldet ist und an die Italo-Western speziell eines Sergio Leone erinnert. Dass Hauptdarsteller Stéphane Ferrara mit seiner kantigen Visage ein wenig an Charles Bronson erinnert, passt perfekt in den ebenso nostalgie- wie bleigetränkten Retro-Exzess – zumal sein Luce von Erinnerungsfetzen an zurückliegende Misshandlungen umgetrieben wird ganz ähnlich wie Bronsons Mann mit der Mundharmonika in „Spiel mir das Lied vom Tod“.

    Doch wohin führt das alles? Wo „Amer“ noch einen gewissen surrealen Traumlogik folgte, in der das Unverständliche und Assoziative Teil der Traumata der Figuren war, droht „Leichen unter brennender Sonne“ nun zunehmend zur bloßen Zitatenspielerei zu werden. Wer hier wen warum und wieso töten will, lässt sich kaum nachvollziehen, die Figuren sind weniger menschliche Wesen mit greifbaren Emotionen als Rückverweise auf bestimmte Archetypen. So mitreißend dieses Aneinanderfügen brillanter Einzelmomente oft auch ist, mehr als in den früheren Filmen des Regiepaars stellen sich auf Dauer doch gewisse Abnutzungserscheinungen ein. Allzu willkürlich mutet der Exzess an, geprägt weniger von einer Lust am Geschichtenerzählen als von dem leider allzu spürbaren Bemühen, jeden einzelnen Moment zu etwas Besonderem zu machen. So beeindruckend „Leichen unter brennender Sonne“ stilistisch, visuell und akustisch ohne Frage ist – am Ende der 90 exzessiven Minuten hängt man dann doch wie erschlagen im Kinosessel.

    Fazit: Auch in seinem dritten Film inszeniert das Duo Hélène Cattet und Bruno Forzani erneut einen einzigen exzessiven Rausch aus filmischen Versatzstücken, diesmal inspiriert vom italienischen Polizeifilm und vom Italo-Western. Allerdings scheint sich diesmal der bloße Exzess selbst zu genügen, weshalb er auf Dauer ein wenig ermüdet.

    Wir haben „Leichen unter brennender Sonne“ auf den Fantasy Filmfest White Nights 2018 gesehen.

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