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    Fashionista
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Fashionista
    Von Gregor Torinus

    Das Horrorgenre mit seiner Liebe für das schön Schreckliche und das schrecklich Schöne verbindet schon immer eine innige Beziehung mit der Welt der Mode – von Mario Bavas Giallo-Meisterwerk „Blutige Seide“ bis zu Nicolas Winding Refns rabenschwarzer Kannibalismus-Komödie „The Neon Demon“. Mode ist nun auch das zentrale Thema von Simon Rumleys „Fashionista“. Im Gegensatz zu Bava und Refn zeigt der britische Indie-Regisseur jedoch nicht, wie unschuldige junge Frauen in der kalten Modewelt ums nackte Überleben kämpfen, sondern wie der Modewahn der Protagonistin zur zerstörerischen Sucht ausartet. Nach „The Living And The Dead“ und „Red, White & Blue“ ist „Fashionista“ bereits Rumleys dritter Film, der hierzulande auf dem Fantasy Filmfest gezeigt wird – und wie sein Rache-Thriller „Red, White & Blue“ spielt auch sein neuer Film wieder im texanischen Austen und hat Amanda Fuller („Last Man Standing“) als Hauptdarstellerin an Bord. Zugleich verlässt der schon immer experimentierlustige Rumley mit „Fashionista“ endgültig die ausgetretenen Genrepfade und entwirft stattdessen ein abgefahrenes Psychodrama auf den Spuren von Nicolas Roeg („Puffball“).

    April (Amanda Fuller) betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Eric (Ethan Embry) in Austin den Second-Hand-Shop Emporium. Ihre Wohnung dient zugleich als Lager für den Laden und ist deshalb ebenfalls komplett mit Klamotten vollgestopft. Für April ist das Chaos allerdings ein Traum. Denn nichts liebt die etwas füllige Schönheit so sehr, wie sich ständig neu in möglichst grelle Outfits zu hüllen. Aber dieser auffällige Klamottenfimmel dient April auch dazu, ihre tiefsitzende Unsicherheit zu überspielen. Dies wird überdeutlich, als Eric ihr eröffnet, dass er gemeinsam mit der neuen jungen Angestellten Sherry (Alexandria DeBerry) nach Dallas gehen will, um dort eine weitere Filiale zu eröffnen. April wechselt noch häufiger ihre Klamotten und versucht sich ihrer Attraktivität zu versichern, indem sie mit fremden Männern anbandelt. Der sympathische Obdachlose Hank (Devin Bonnée) weist Aprils Flehen, es ihr doch mal so richtig zu besorgen, allerdings irritiert zurück. Dann trifft April allerdings den reichen Randall (Eric Balfour). Der gibt ihr ihr nicht nur Geld für sündhaft teure Designerkleidung, sondern überredet April zugleich auch zu immer abseitigeren Sexspielen...

    Wenn Regisseure ihre Werke berühmten Kollegen widmen, entbehrt eine solche Huldigung oft nicht einer gewissen Hybris. So hat Nicolas Winding Refn sein Gewalt-Epos „Only God Forgives“ zwar Alejandro Jodorowsky („El Topo“) gewidmet, weil der chilenische Surrealist dem dänischen „Drive“-Regisseur mal die Tarotkarten gelegt haben soll, aber darüber hinaus finden sich in den sehr unterschiedlichen Filmografien der beiden kaum direkte Bezüge zueinander. Wenn Simon Rumley „Fashionista“ nun seinem sehr viel berühmteren britischen Landsmann Nicolas Roeg widmet, sieht die Sache allerdings schon ganz anders aus. Roeg hat als Produzent Rumleys „Crowhurst“ um den unter mysteriösen Umständen verschwundenen Segler Donald Crowhurst mitentwickelt – und dabei hat Rumley entschieden, ein Projekt, an dem er schon länger schleift, zu einer Liebeserklärung an Roeg umzumodellieren. Herausgekommen ist dabei „Fashionista“ – und tatsächlich sind die stilistischen Parallelen kaum zu übersehen. Insbesondere Roegs innovative Schnitttechniken, denen seine Werke wie „Performance“ oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ ihre herausstechende Atmosphäre verdanken, haben einen sichtlichen Einfluss auf Rumleys Entscheidungen bei „Fashionista“.

    Wie Roeg verschränkt nun auch Rumley verschiedene Handlungs- und Zeitebenen durch unerwartete schnelle Zwischenschnitte ineinander. Erst nach und nach fügen sie sich wie bei einem psychologischen Puzzle zu einem vollständigen Bild zusammen (was nicht heißen soll, dass am Ende alles leicht zu entschlüsseln wäre). Dabei greifen häufiger einzelne kurze Einstellungen in der Handlung voraus oder liefern in manchen Fällen rückwirkend fehlende Informationen nach. Auch auf welcher Realitätsebene das Gezeigte gerade stattfindet, wird - wenn überhaupt - erst gegen Ende klar. Das erfordert vom Zuschauer einiges Mitdenken. Aber der Zwang zur erhöhten Konzentration wird in „Fashionista“ reichlich belohnt. Der Film bietet eine einzigartige Atmosphäre und besticht trotz der Puzzle-Struktur doch immer durch eine große emotionale Intensität.

    So spielt sich Amanda Fuller als April wahrhaft die Seele aus dem Leib. Wenn sie dick geschminkt einen Kussmund macht oder sich inmitten von Kleidungsbergen wonnig auf dem Bett wälzt, ist das oft gleichsam sexy wie grotesk - eingefangen in grobkörnigen Bildern, die ständig zwischen einer rotzigen Indiefilm-Unmittelbarkeit und deutlich stilisierten Sequenzen oszillieren. Auch der von Alternative-Rock bis zu Electro-Sounds reichende Soundtrack trägt stark zur dichten Atmosphäre des Films bei, der am besten wie ein guter Rotwein genossen werden sollte. Zwar hätte Rumley seinen Film hier und da noch ein wenig straffen können, aber auch so bleibt das ebenso unbequeme wie originelle Psychogramm ein faszinierend-funkelnder, dunkel-abgründiger Rohdiamant.

    Fazit: „Fashionista“ ist ein emotional sehr intensives, atmosphärisch äußerst dichtes, aufregend experimentell erzähltes Psychodrama, das dem Zuschauer zwar einiges an Konzentration abverlangt, ihn dafür dann aber auch reichlich entlohnt.

    Wir haben „Fashionista“ auf dem Fantasy Filmfest 2017 gesehen, wo er im offiziellen Programm gezeigt wird.

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