Erst kürzlich verschob die Videospielschmiede Square Enix den Launch des heiß erwarteten Rollenspiels „Final Fantasy XV“ von Ende September in den November 2016. Eine Art Lückenfüller für die Gamer ist nun der gleichnamige Animationsfilm. Nach „Final Fantasy: Die Mächte in dir“, der 2001 als erster CGI-Film mit einer fotorealistischen Motion-Capture-Darstellung menschlicher Figuren für Aufsehen sorgte, und „Final Fantasy VII: Advent Children“ von 2005 (für uns die beste Videospiel-Verfilmung überhaupt) ist „Kingsglaive: Final Fantasy XV“ von Regisseur Takeshi Nozue nun bereits der dritte CGI-Animationsfilm aus dem „Final Fantasy“-Universum. Wie die Spiele hängen auch die Filme nur sehr lose zusammen. Die Handlung spielt wie der fünfteilige Anime „Brotherhood: Final Fantasy XV“ parallel zu den Ereignissen im kommenden Videospiel und erweist sich vor allem als gigantische Anime-Actionorgie.
Das Reich Lucis unter der Regentschaft von König Regis (Sprecher im Original: Sean Bean) befindet sich seit vielen Jahren im Krieg mit dem Imperator Aldercapt (David Gant), dem Führer des Reichs Niflheim. Geschützt wird Lucis von einem magischen Kristall, der die Hauptstadt mit einem Energiefeld umgibt. Außerdem steht dem König die Leibgarde Kingsglaive zur Seite. Zu der Spezialeinheit gehören unter anderem Nyx Ulric (Aaron Paul), sein Kamerad Libertus (Liam Mulvey) und die taffe Kämpferin Crowe (Alexa Kahn). Weil der Krieg einfach kein Ende nimmt, geht König Regis auf ein Friedensangebot von Aldercapt ein. Doch dann nutzt Aldercapt die Unterzeichnung des Friedensvertrags für eine Attacke auf Lucis. Nyx stürzt sich ins Kampfgetümmel und setzt alles daran, die Prinzessin Lunafreya (Lena Headey) zu beschützen…
„Kingsglaive“ beginnt mit einer kompakten Exposition, die die Vorgeschichte resümiert, und springt anschließend direkt in eine Schlachtszene, in der die Kingsglaive das Reich gegen die Invasoren verteidigt. Nyx Ulric und seine Kameraden werden mit knackigen Onelinern als Teufelskerle eingeführt, auf die im Kampf stets Verlass ist. Nach der rasanten Eröffnung schaltet „Kingsglaive“ dann zunächst einen Gang runter und spinnt das politische Komplott rund um den (vermeintlichen) Friedensschluss, ohne den Figuren dabei herausstechende Charakterzüge zu verleihen. Den prominenten Synchronsprechern wie Sean Bean („Der Herr der Ringe“), Lena Headey („Game Of Thrones“) oder Aaron Paul („Breaking Bad“) bleiben fast nur klischeehafte Oneliner sowie Dialoge, die nicht selten wie die Missionsbeschreibungen aus einem Videospiel klingen. Dabei bietet die Handlung eigentlich genug Anknüpfungspunkte, wenn etwa Regis im Zuge der Friedensverhandlungen zustimmt, das Territorium außerhalb der Hauptstadt an Niflheim abzutreten. Die Entscheidung verärgert die Mitglieder der Kingsglaive, weil ihre eigenen Familien dort leben. Das Skript lässt diese und andere Möglichkeiten, dem Geschehen Tiefe zu verleihen, jedoch weitgehend ungenutzt links liegen.
In der zweiten Hälfte, die praktisch nur aus einer epischen Zerstörungsorgie besteht, fällt das Mitfiebern ohne die nötige Charakterentwicklung eher schwer. Dauernd kracht und explodiert etwas, Nyx teleportiert sich durch die Gegend und ein gigantischer Dämon poltert durch die Hochhausschluchten. Mittendrin rasen die Helden mit einem Audi R8 durch die Straßen, etwa an der Wand eines Hochhauses entlang, wobei das Audi-Emblem fast schon zu einem zusätzlichen Protagonisten avanciert – selten war Product Placement offensiver. Wenn einer der Beteiligten das Getümmel „marvelous“ findet, lässt sich auch das als Referenz an diverse Comic-Kloppereien verstehen. Und tatsächlich: Die ausufernde Endschlacht steht den aktuellen Superhelden-Blockbustern in punkto Materialverschleiß in nichts nach.
So hohe Wellen wie damals bei „Final Fantasy: Die Mächte in dir“ werden die Motion Capture-Animationen aus „Kingsglaive“ diesmal sicherlich nicht schlagen, denn dafür ist die Technik heute nicht mehr innovativ genug. Visuell gelungen ist der dritte „Final Fantasy“-Kinofilm aber trotzdem, wenn etwa ein riesiges Aquarium im Hintergrund thront oder Funken durchs Bild sprühen. Die Figuren, die Hintergründe und die Mischung aus Mittelalter-Flair und Science-Fiction bieten dem geneigten Film jede Menge Eyecandy. Als Appetitanreger für das kommende Videospiel mag der mit Insider-Jokes gespickte „Kingsglaive“ seinen (Marketing-)Zweck erfüllen – doch das Schwert im Game selbst zu schwingen, dürfte dann sicherlich noch einmal deutlich mehr Spaß machen.
Fazit: Visuell reizvoller, erzählerisch holpriger Sci-Fi-Action-Anime, der eher als Appetitanreger für das kommende Videospiel denn als eigenständiger Kinofilm funktioniert.