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    7 Tage in Entebbe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    7 Tage in Entebbe
    Von Björn Becher

    Mit einer von donnernden Beats unterlegten Tanzperformance beginnt José Padilhas „7 Tage in Entebbe“. Im Takt der Musik werden Textzeilen auf die Leinwand gehauen, die einen kurzen geschichtlichen Abriss über die Ereignisse liefern, um die es im Film gehen wird. Immer wieder wird uns diese Nummer der Batsheva Dance Company den Film hindurch begegnen. Aus der anfänglichen Probe wird dabei irgendwann Ernst. So wie bei den israelischen Soldaten, die für ihren Einsatz üben, bis das Geübte bei der „Operation Entebbe“ 1976 in die Tat umgesetzt werden muss. Wenn der „Tropa De Elite“-Regisseur im furiosen Finale seines Thriller-Dramas über eine der spektakulärsten Flugzeugentführungen der Geschichte dann Tanz und Action verbindet, entwickelt dies auf eine ganz dem Kino vorbehaltene Weise eine ungeheure Kraft und ist der perfekte Abschluss für seinen vor Kontroversen nicht zurückschreckenden Film.

    1976 entführt eine vierköpfige Gruppe aus Deutschen und Palästinensern einen Air-France-Flug von Tel Aviv nach Paris. Mit vorgehaltener Waffe und einer Handgranate zwingt Wilfried Böse (Daniel Brühl) die Crew des Airbus, nach Entebbe in Uganda zu fliegen. Unter dem Schutz des gefürchteten Diktators Idi Amin (Nonso Anozie) verschanzen sich die um weitere Palästinenser verstärkten Entführer dort mit ihren Geiseln in einem heruntergekommenen Flugzeughangar. Schnell wird die Situation noch prekärer. Während die jüdischen Passagiere separiert werden, stellt sich für Böse immer mehr die Frage, ob er und seine Kameradin Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) nur benutzt werden. Gleichzeitig wird in der israelischen Regierung darüber debattiert, wie man mit der außergewöhnlichen Situation umgehen soll. Während Premierminister Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazi) ernsthaft darüber nachdenkt, Israels eigentlich unumstößliches Credo, nicht mit Terroristen zu verhandeln, aufzugeben, arbeitet Verteidigungsminister Shimon Peres (Eddie Marsan) an einem Plan: Der Hardliner will Soldaten nach Uganda schicken und die Entführung mit einer nie zuvor erprobten Militäraktion beenden.

    Bereits wenige Monate nach den Ereignissen erschien im Dezember 1976 mit der in Deutschland sogar ins Kino gebrachten US-TV-Produktion „Unternehmen Entebbe“ eine erste, hochkarätig besetzte Verfilmung (unter anderem mit Anthony Hopkins, Kirk Douglas, Burt Lancaster, Elizabeth Taylor). Im Folgejahr gab es mit Irvin Kersners US-Fernsehfilm „… die keine Gnade kennen“ sowie der oscarnominierten israelischen Kinoproduktion „Operation Thunderbolt“ gleich zwei weitere Versionen der Geschichte. Warum es da noch eine Verfilmung braucht, mag man fragen. Padilha lässt diese Frage gar nicht aufkommen, in dem er von der ersten Sekunde an deutlich macht, wie brandaktuell sein Film ist. Wenn er im Vorspann die Worte „Freiheitskämpfer“ und „Terrorist“ aus dem weißen Text in roter Farbe hervorhebt und so die unterschiedlichen Sichtweisen aufzeigt, die es auf ein und dieselbe Person geben kann, gibt er die Richtung zu einer Debatte vor, die immer aktuell sein wird.

    Eine zentrale Figur im Hinblick auf diese Ambivalenz ist in Padilhas Film der deutsche Flugzeugentführer Wilfried „Bonni“ Böse. Daniel Brühl, der nach Helmut Berger, Horst Buchholz, Klaus Kinski und Aljoscha Stadelmann in „Carlos – Der Schakal“ nun in die Rolle schlüpft, stellt den Mitgründer der Revolutionären Zellen als durchaus zerrissenen Mann dar und wird alleine dadurch für Diskussionen sorgen. In den auch in der englischen Originalfassung in deutscher Sprache gehaltenen kurzen Unterhaltungen mit Rosamund Pikes Brigitte Kuhlmann sowie in einigen Rückblenden zur Erörterung, Planung und Vorbereitung der Tat zeigt sich, dass er selbst davon überzeugt ist, das Gute zu tun. Andererseits zweifelt er immer wieder und setzt sich kritisch damit auseinander, wie die Palästinenser mit den Gefangenen umgehen.

    Wie viel davon genau den Tatsachen entspricht, lässt sich heute nicht mehr klären. Was zum Beispiel Böse und Kuhlmann in Deutsch besprochen haben, weiß niemand. Auch wenn Padilha und sein Drehbuchautor Gregory Burke („‘71“) versuchen, so nahe wie möglich an den Geschehnissen zu bleiben, teilweise auch Archivmaterial nutzen, mussten sie mit widersprüchlichen Aussagen der Überlebenden arbeiten und sich für eine Sichtweise entscheiden. Im Fall von Böse griffen sie hier auch auf jüngere Erkenntnisse zu dessen ungewöhnlichem Verhalten während der Erstürmung zurück, was auch im Film sehr deutlich herausgestellt wird. Auch bei der nicht final geklärten Rolle von Idi Amin legt der Regisseur sich fest und macht den erratischen Diktator zum Komplizen der Entführer, was dieser immer bestritten hat, wofür aber das Gros der Informationen spricht.

    Das Geschehen in Uganda ist allerdings nur eine der Handlungsebenen von „7 Tage in Entebbe“. Ähnlich wie zuletzt Toa Fraser in seinem Netflix-Thriller-Drama „6 Days“ beleuchten Burke und Padilha die Geiselnahme auch aus Sicht der Einsatzplaner und der für die Aktion trainierenden Soldaten. Als größter Trumpf im Cast erweist sich dabei neben Daniel Brühl der herausragende Eddie Marsan („Ray Donovan“, „Happy-Go-Lucky“). Auf den ersten Blick portraitiert er Shimon Peres als Machtmenschen, der die Situation nutzen will, um seine Position zu stärken. Doch nach und nach zeigt sich auch hier, dass jemand aus dem festen Glauben heraus agiert, das Richtige zu tun. Eine Parallele, die sich durch den ganzen Film zieht - ob es die Kidnapper, die Entscheidungsträger und Soldaten in Israel oder auch die Geiseln sind. Eine Gleichsetzung von Tätern und Opfern, Angreifern und Angegriffenen, die man durchaus hinterfragen kann.

    Durch die Hervorhebung einiger weniger dominanter Figuren bleibt für die übrigen Akteure zwangsläufig weniger Platz. Der für den Einsatz trainierende junge Soldat Zeev Hirsch (Ben Schnetzer) ist eigentlich nur im Film, weil es über seine Rolle eine direkte Verbindung zur Tanzgruppe (seine Freundin hat dort eine Schlüsselrolle) gibt, die Padilha für seine imposante Inszenierung benötigt und die der Regisseur scheinbar nicht ohne direkten inhaltlichen Bezug als Klammer nutzen wollte. Dass dieser junge Mann zu einer lebensgefährlichen Aktion aufbricht statt seiner großen Liebe im Theater zuzuschauen, entfaltet aufgrund der fehlenden erzählerischen Unterfütterung allerdings kaum emotionale Wucht. Auch Denis Ménochets Flugzeugingenieur Jacques Le Moine, der so etwas wie die Stimme der Geiseln ist, bleibt recht blass, da er fast immer nur dann aus dem Hut gezogen wird, wenn in einer Szene ein individueller Gegenpart für seinen „Inglourious Basterds“-Kollegen Daniel Brühl gebraucht wird.

    Fazit: José Padilhas „7 Tage in Entebbe“ ist ein stark inszenierter und gespielter Thriller, dessen Diskussionsanstöße nicht jedem gefallen werden.

    Wir haben „7 Tage in Entebbe“ bei der Berlinale 2018 gesehen, wo der Film außer Konkurrenz im Wettbewerb gezeigt wird.

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