Im 80er Jahre-Klassiker „Breakfast Club“ gibt es eine schöne Szene, in der Bender, der Rebell unter den zum Nachsitzen verdonnerten Schülern, sich darüber beschwert, dass ein Mitschüler aufstehen darf, er aber nicht: „Wohin soll das führen?“, fragt er ironisch, „Wenn er aufstehen darf, stehen wir alle auf. Dann herrscht Anarchie!“ Der aufsässige Teenager bringt die Verlockungen eines Daseins ohne Regeln, ohne Vorschriften, ohne Institutionen auf den Punkt. Aber was sich in der Theorie, auf Pamphleten und in Ansprachen verführerisch anhören mag, hat sich im Alltag des Zusammenlebens nicht bewährt. Dennoch besitzt der Zustand der Anarchie für viele Menschen unverändert eine starke Faszination und so sind auch die Ideen des Anarchismus nach wie vor lebendig: Was sie in der heutigen Zeit noch bedeuten, das ergründet das Regie-Duo Marcel Seehuber und Moritz Springer in seiner Dokumentation „Projekt A – Anarchistische Projekte in Europa“. Bezeichnenderweise treffen die Filmemacher dabei eher auf Reformer als auf Revolutionäre. Der umstürzlerische, auf Zerstörung angelegte Anarchismus alter Schule hat einem geradezu „normalen“ gesellschaftlichen Engagement Platz gemacht, das sich meist nur gegen bestimmte Aspekte des „Systems“ richtet.
Während sich in den europäischen „Problemländern“ Griechenland und Spanien noch einige größere Projekte finden, bei denen es um Gesamtentwürfe für ein Leben frei von den Einschränkungen der Gesellschaft geht, setzt sich die deutsche Anti-Atomkraft-Aktivistin für ein konkretes politisches Ziel ein, wobei sie auf radikale Methoden zurückgreift, wenn sie sich in etwas anachronistisch anmutender Manier an Bahngleise ankettet. Damit besitzt sie immerhin noch den Gestus des Anarchischen, der etwa beim sogenannten Kartoffelkombinat fehlt. Hier werden Familien mit selbst angebautem, lokalem Gemüse versorgt: Man versucht im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten etwas zu verändern, einen kleinen Unterschied zu machen und kämpft mehr gegen das System als Ganzes. Ob das noch im engeren Sinne anarchisch ist, spielt keine große Rolle. Erfolgversprechender als gleich gegen alle Ungerechtigkeit der gesamten imperialistisch-kapitalistischen Welt zu kämpfen ist es allemal. Diese erfreulich undogmatische Haltung vermitteln jedenfalls die Filmemacher.
Fazit: Nicht ums Bombenlegen geht es in der Dokumentation „Projekt A – Anarchistische Projekte in Europa“, sondern um lokal organisierte Projekte, mit denen engagierte Aktivisten im Kleinen etwas verändern wollen.