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    The Big Sick
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Big Sick
    Von Ulf Lepelmeier

    Wer sich mit Herzblut in eine Sache einbringt, der kann am ehesten auch andere mitreißen und begeistern. Genau diese persönliche Note fehlt dem Solo-Programm des angehenden Standup-Comedians Kumail in der Tragikomödie „The Big Sick“. Sein gutgemeintes Ein-Mann-Stück vermittelt zwar einiges über das Leben in Pakistan, über Essen, Bräuche und Sitten, doch den Menschen Kumail lernt man dabei leider nicht kennen – und so springt der Funke eben nicht so recht über. Nun spielt sich Hauptdarsteller Kumail Nanjiani („Silicon Valley“) in der Culture-Clash-Komödie von Regisseur Michael Showalter („Hello, My Name Is Doris“) gleichsam selbst, aber er macht nicht den Fehler seines Leinwand-Alter Egos und hält sich zurück, sondern erzählt ganz offen und unverblümt davon, wie er seine heutige Ehefrau und Drehbuch-Co-Autorin Emily V. Gordon (gespielt von Zoe Kazan) kennengelernt hat – das Leben schreibt schließlich immer noch die schönsten Geschichten. Die bittersüße RomCom löste beim Sundance Film Festival 2017 einen wahren Bieterwettstreit um die Verleihrechte aus und wurde von vielen US-Kritikern zum ersten Oscar-Favoriten des neuen Jahres erklärt. Was aber noch wichtiger ist: „The Big Sick“ wird den so geschürten Erwartungen gerecht und erweist sich als ebenso intelligenter wie unterhaltsamer Kinospaß.

    Der gebürtige Pakistani Kumail (Kumail Nanjiani) ist als Jugendlicher mit seiner Familie in die USA gekommen und träumt nun davon, als Comedian Fuß zu fassen. Während einer seiner Shows bringt ihn die schlagfertige Emily (Zoe Kazan) aus dem Konzept. Nach einem Gespräch an der Bar landen die beiden im Bett, doch es bleibt nicht bei einem One Night Stand. Beide fühlen, dass da mehr zwischen ihnen ist. Die junge Liebe steht aber unter keinem guten Stern, da Kumails Eltern Azmat (Anupam Kher) und Sharmeen (Zenobia Shroff) ihn unbedingt mit einer pakistanischen Frau verheiraten wollen. Der junge Mann hat Angst aus der Familie ausgestoßen zu werden und verheimlicht die Beziehung daher. Als Emily das einige Zeit später erfährt, ist sie so enttäuscht, dass sie einen Schlussstrich zieht. Plötzlich bricht eine aggressive Infektion bei ihr aus und sie muss ins künstliche Koma versetzt werden. An ihrem Krankenbett trifft Kumail erstmals auf Emilys Eltern Beth (Holly Hunter) und Terry (Ray Romano) zusammen, die sich mehr als verwundert über den Ex-Freund ihrer Tochter zeigen…

    „Wer das wohl sein könnte?“ – Wenn es während des familiären Abendessens mal wieder an der Haustür klingelt und Kumails Mutter Erstaunen vorspielt, ist klar, dass sich eine weitere pakistanische Frau im heiratsfähigen Alter vorstellen wird, schließlich soll der Sohn ja endlich den Bund der Ehe eingehen. Doch Kumail, der in den fünf Minuten des Gebets lieber einen weiteren Computerspiel-Highscore knackt, als mit Gott zu sprechen, möchte weder Arzt, noch Anwalt, noch verheiratet werden. Vielmehr will er als Standup-Comedian durchstarten und selbst die Frau seiner Wahl finden, doch fällt es ihm mehr als schwer, dies seinen Eltern offen zu sagen. Die Zusammenkünfte der pakistanischen Einwandererfamilie gehören zu den humorvollen Highlights von „The Big Sick“: Kumail Nanjiani und Emely V. Gordon gelingt es in ihrem Drehbuch sowohl das mit Konflikten verbundene Festhalten an Traditionen als auch die Herzlichkeit der pakistanischen Familie zu erfassen. Die Lebenswirklichkeit von Migranten im Zwiespalt zwischen der Sehnsucht nach der alten Heimat und dem Wunsch ein modernes Leben im Stil der amerikanischen Mitmenschen zu führen wird hier treffend eingefangen.

    Letztlich ist jede einzelne Figur in „The Big Sick“ herrlich ambivalent. Sie alle haben ihre kleinen Macken und treffen immer mal wieder die falschen Entscheidungen. So spielt sich Kumail Nanjiani zwar als netten Kerl, aber zugleich auch als feigen Lügner, der sich gern mit ein paar Unwahrheiten aus dem nächsten drohenden Schlamassel herausmanövriert. Er harmoniert dabei perfekt mit Zoe Kazan („The F-Word: Von wegen nur gute Freunde!“), die einmal mehr eine charmant verpeilte junge Frau verkörpert, die man einfach ins Herz schließen muss. Ein besonderes Vergnügen ist es, wie die beiden in der Kennenlernphase umeinander kreisen, intelligent-schräge Dialoge austauschen und sich dabei spielerisch immer näher kommen. Toll sind auch Ray Romano („Alle lieben Raymond“) und vor allem Holly Hunter („Das Piano“) als Emilys leicht kauzige, aber liebevolle Eltern. Sie mögen latente Vorbehalte gegen Muslime und insbesondere gegen Kumail haben, der ihrer Tochter das Herz gebrochen hat, doch zugleich sind sie überzeugte Kämpfer gegen Fremdenhass und lassen unangebrachte Sprüche gegen ihren pakistanischen Schwiegersohn in spe nicht so einfach durchgehen. Ein schauspielerischer und emotionaler Höhepunkt ist es dann, wenn sich die leutselige Beth mit ihrem starkem Südstaaten-Akzent ganz langsam eingesteht, was für ein sympathischer Kerl Kumail doch ist.

    Fazit: In Michael Showalters bittersüßer, etwas nerdiger und extrem unterhaltsamer Tragikomödie „The Big Sick“ wird der Ernst des Lebens gekonnt mit treffsicherem Culture-Clash-Humor und brillantem Dialogwitz vereint.

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