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    Anhedonia - Narzissmus als Narkose
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Anhedonia - Narzissmus als Narkose
    Von Matthias Manthe

    „Wir schreiben das Jahr 2020. Weltweit werden tagtäglich Milliarden von Menschen Opfer der digitalen, medialen, narzisstischen, hedonistischen, karrieristischen und konsumorientierten Reizüberflutung und Suggestion durch das Establishment. Auf unerklärliche Weise erkranken schlagartig Milliarden Bürger der ersten Welt epidemisch an Anhedonie, der Unfähigkeit, Freude, Lust und Befriedigung zu empfinden.“ So lautet die vom Erzähler Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten) vorgetragene Inhaltsangabe des Theaterfilms „Anhedonia – Narzissmus als Narkose“, eine Art satirisches Kammerspiel, mit dem Songwriter Patrick Zimmer sein Low-Budget-Kinoregiedebüt gibt.

    Den grundlegenden Befund der Anhedonie nutzt Patrick Zimmer als Vehikel für die Dekonstruktion der Rolle von Schauspielern und Doktoren, von Regisseuren und Erzählern. Auch diejenigen, die solche Rollen einnehmen, kommen dabei nicht gut weg: In dieser Zeitgeistsatire ist nichts heilig. Mit der Unterstützung weiterer Musikerfreunde, darunter Tocotronics Dirk von Lotzow als unsichtbarer Psychotherapeut und der sichtbare, aber stumme Trümmer-Sänger Paul Pötsch, macht Zimmer aus „Anhedonia“ einen filmischen Rundumschlag, der oft eher einer sich selbst sabotierenden Versuchsanordnung ähnelt als einer Erzählung im engeren Sinne.

    So werden die steinreichen Aristokratensöhne Franz (Robert Stadlober) und Fritz Freudenthal (Wieland Schönfelder), die sich in ein nordfriesisches Luxusresort begeben, um ihre Freudlosigkeit anhand einer „Lust-Stimuli-Therapie“ zu überwinden, als aphorismenkotzende Snobs eingeführt, deren Unzufriedenheit ins Unerträgliche reicht: Der dekadente Franz kritisiert pausenlos jeden, derweil der Bruder mit dem Kindle-Reader Weltflucht begeht. Cut. Ein fluchender Pseudo-Fassbinder springt ins Bild und entpuppt die Schauspieler als Schauspieler, während er versucht die eigene Karriere mit einem bedeutsamen Film über „die hässliche Fratze der menschlichen Existenz“ zu retten. Um dem postironischen Gestus die Krone aufzusetzen, endet die Geschichte als Post-Fin-de-Siècle-Albtraum im Jahre 1920. Uff.

    Mit solcherlei Perspektivsprüngen gelingt Zimmer ein durchaus amüsantes Porträt von Überdruss im digitalen Zeitalter. Durch eingespielte Publikumslacher, Text-im-Bild, Slapstick und Stimmverfremdungen wird der Erzählfluss immer wieder torpediert. Dabei droht allerdings die kritische Substanz ständig zwischen zwei Metaebenen zu zerrinnen. Am Ende hätte Franz bloß öfter in den Arm genommen werden müssen - ein fundamentales Problem hat er nie gehabt. Das zeigt zwar die Banalität heutiger #firstworldproblems gut auf, macht aber zugleich den Film selbst etwas banal.

    Fazit: Als Spiegelbild der Generation Y wird in „Anhedonia“ Selbstreflexion ohne Erkenntnisgewinn betrieben. Genau dies erscheint dabei als springender Punkt: Es ist alles nur Theater.

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