Die Watergate-Affäre gehört zu den größten Skandalen der US-amerikanischen Politgeschichte. Zahlreiche Bücher und Filme, darunter der mit vier Oscars ausgezeichnete Klassiker „Die Unbestechlichen“, befassten sich bereits mit den Ereignissen, die schließlich zum Rücktritt des damaligen Präsidenten Richard Nixon am 9. August 1974 geführt haben. Wesentlich zu dessen Sturz beigetragen hat ein aufgrund seiner tiefen Stimme von allen nur Deep Throat genannter Informant, der entscheidende Hinweise über die vom republikanischen Weißen Haus gesteuerten Einbruchs-, Abhör- und Vertuschungsmachenschaften an Journalisten der Washington Post weitergab. Erst im Jahr 2005 wurde in der Öffentlichkeit bekannt, dass sich hinter Deep Throat der während der Ermittlungen zur Affäre amtierende Vize-FBI-Chef Mark Felt verbarg – und je nach politischer Gesinnung bezeichnen ihn die einen seitdem als Helden, die anderen als Verräter. Regisseur Peter Landesman („Erschütternde Wahrheit“) hält sich in seinem biografischen Politthriller „The Secret Man“ über Felt und Watergate mit einer eigenen Meinung zurück und lässt die Fakten für sich sprechen. Er schildert die Geschehnisse nüchtern und sachlich, sehr spannend ist sein auch im Hinblick auf das aktuelle politische Klima in den USA sehenswerter Film trotzdem. Beim seicht-sentimentalen Nachklapp rund um die verloren geglaubte Tochter des Felt-Ehepaars vergreift Landesman sich allerdings im Erzählton.
Als wären der Vietnamkrieg und die Bürgerrechtsbewegung noch nicht genug, versetzt die Watergate-Affäre den US-amerikanischen Politzirkus im Sommer 1972 in großen Aufruhr. Nach einem Einbruch in die Parteizentrale der Demokraten beginnt Vize-FBI-Chef Mark Felt (Liam Neeson) erste Zusammenhänge zu erkennen. Er hat Zugang zu den Ermittlungsergebnissen und macht sich sein eigenes Bild. Bald ist er sicher, dass Teile der Nixon-Regierung an diesem politischen Super-GAU beteiligt gewesen sein müssen. Seinem Vorgesetzten, dem neuen FBI-Direktor Patrick Gray (Marton Csokas), scheinen schnelle Ergebnisse wichtiger zu sein als gründliche Aufklärung, daher stellt Felt nach 30 Jahren treuer Dienste für das FBI die Loyalität zu seinem Arbeitgeber hintenan, folgt seinem Gewissen und kontaktiert die immer noch im Dunkeln tappende Presse. Washington-Post-Redakteur Bob Woodward (Julian Morris) hört aufmerksam zu…
Für Regisseur Peter Landesman ist „The Secret Man“ nach „Parkland – Das Attentat auf John F. Kennedy“ und „Erschütternde Wahrheit“ erst der dritte Spielfilm – und er steigert sich stetig. Der ehemalige New-York-Times-Journalist verfasste erneut auch das Drehbuch und verzichtet diesmal fast vollständig auf Gefühlsduselei. Diese Konzentration auf die Fakten gibt dem vielschichtigen Stoff klare Konturen und macht „The Secret Man“ zu spannend-informativem Politkino. Selbst wer schon einiges über die historischen Vorgänge weiß, kann bei den vielen Namen, Daten, Positionen und politischen Verwicklungen schon mal durcheinander kommen, aber Landesman sorgt durch seine schnörkellose Erzählweise dafür, dass man nie den Überblick verliert. Das hat allerdings auch eine gewisse Dialoglastigkeit und visuelle Eintönigkeit zur Folge: Wir sehen 107 Minuten lang kaum etwas anderes als Männer in Anzügen, die in schier endlosen Gängen und Fluren mehr oder weniger konspirativ Informationen austauschen. Selbst als sich die Schlinge um die Beteiligten immer enger zusammenzieht, verzichtet Landesman auf jede inszenatorische Effekthascherei und bleibt bei den ganz und gar nicht schnöden Fakten.
Während die politische und die historische Tragweite des Gezeigten durch die sorgfältige Aufbereitung der Abläufe und Zusammenhänge mehr als deutlich werden, bleibt die menschlich-emotionale Komponente weitgehend unterbelichtet. Die Motive der Täter spielen keine große Rolle und die Versuche, wenigstens nebenbei auch den Privatmenschen Mark Felt und sein familiäres Umfeld zu porträtieren, geraten oberflächlich und wenig überzeugend: Diane Lane („Batman V Superman: Dawn Of Justice“) entspricht als Felts Ehefrau Audrey lediglich dem Stereotyp der leidgeprüften Gattin, die versucht, ihre eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen und ihrem Mann den Rücken freizuhalten. Und die Nebenhandlung um die von den Eltern entfremdete Felt-Tochter Joan („It Follows“-Star Maika Monroe in einer kleinen Rolle) besitzt sogar noch weniger Aussagekraft, denn die junge Frau kommt zwischen Audrey und Mark eigentlich nur als Druckmittel zur Sprache. Die Rührseligkeit des an die Haupthandlung angehängten Wiedersehens der kleinen Familie wirkt im Kontrast zur trockenen Thrilleratmosphäre zuvor dann sogar regelrecht lächerlich.
Die misslungene emotionale Unterfütterung gleicht Peter Landesman mit großer Detailverliebtheit und Akribie bei der Rekonstruktion der zeitgeschichtlichen Umstände aus. Sein Porträt des Politbetriebs ist vom zelebrierten Zynismus nach Art von „House Of Cards“ weit entfernt, dennoch sind die Figuren hier oft vor allem Funktionsträger im Staatsapparat. Erst die guten Schauspieler machen diese Politmarionetten zu mehr oder weniger glaubhaften Menschen aus Fleisch und Blut. Ike Barinholtz („Suicide Squad“), Michael C. Hall („Dexter“), Kate Walsh („Tote Mädchen lügen nicht“), Marton Csokas („Der Herr der Ringe“), Julian Morris („Pretty Little Liars“) und Eddie Marsan („Atomic Blonde“) leisten dabei in teils winzigen Rollen ganze Arbeit – aber letztlich ist es Hauptdarsteller Liam Neeson („96 Hours – Taken“), der „The Secret Man“ zu einer lebendigen Angelegenheit macht und dem Film einen Herzschlag verleiht. In seiner vielleicht besten Darbietung seit „Schindlers Liste“ bringt er den moralischen Konflikt des zwischen innerer Überzeugung und beruflichem Pflichtgefühl hin- und hergerissenen Whistleblowers ohne jegliche Sentimentalität auf die Leinwand. Manchmal reichen ihm schon Sekundenbruchteile der stillen Überlegung, um die Unsicherheit der Figur spürbar zu machen.
Fazit: Wenngleich es Regisseur Peter Landesman nicht recht gelingt, sein trockenes Thema glaubhaft emotional zu unterfüttern, ist „The Secret Man“ ein hochspannender Politthriller. Und der famose Liam Neeson präsentiert sich in der Hauptrolle in oscarreifer Hochform.