Drei Mal in Folge wurde das „Noma“ in Kopenhagen von 2010 bis 2012 als das beste Restaurant der Welt ausgezeichnet. In der Dokumentation „Noma“ geht es trotz des Titels allerdings weniger um das Lokal selbst, als um Mitbesitzer und Küchenchef René Redzepi. Regisseur Pierre Deschamps kommt dem Starkoch ganz nah und porträtiert ihn als dauerfluchenden Küchenmozart voller Widersprüche. Das wird schon bei der Vorstellung von Redzepis Konzept deutlich, dass dieser selbst als „prätentiösen Scheiß“ bezeichnet: Er will im „Noma“ ausschließlich Rohzutaten aus den nordischen Ländern verwenden. Und gerade dieses selbst auferlegte Dogma eröffnet Redzepi paradoxerweise nach und nach neue Freiheiten – die kulinarischen und kommerziellen Strategien der Koch-Diva allein liefern genügend Stoff für eine spannende Dokumentation. Damit lässt es Deschamps aber nicht bewenden, er schweift andauernd ab und lässt zunächst immer wieder den erzählerischen Fokus vermissen. Über Redzepis Familienleben bis hin zu den Erfahrungen des mazedonisch-dänischen Küchenchefs mit Rassismus reißt er allerlei Themen an, vertieft sie allerdings nicht weiter. Das ist zwar zwischendurch durchaus aufschlussreich und bei der Vorstellung einiger „Zuarbeiter“ des Starkochs, zu denen unter anderen ein an den Weihnachtsmann erinnernder Hobby-Pilzsammler und ein schottischer Seeigel-Taucher gehören, auch amüsant, aber die wirkliche Kochkunst kommt in „Noma“ zu kurz.
Pierre Deschamps schafft es nie, die Zubereitung von Speisen so zu inszenieren, dass einem als Zuschauer das Wasser im Munde zusammenläuft, vielmehr wirkt sein Film zunehmend redundant. Doch dann gibt es eine unerwartete Wendung: Das „Noma“ steht vor einer schwierigen Zeit, als 60 Gäste nach dem Besuch an einem Virus erkranken. Küchenchef Redzepi trifft es aber persönlich viel mehr, dass ihm erneut der dritte Michelin-Stern verwehrt wird und sein Restaurant in der Rangfolge des britischen „Restaurant Magazine“ plötzlich nur noch das zweitbeste der Welt ist. Nun macht es sich bezahlt, dass der Regisseur sich jeglichen Kommentars enthält und immer wieder buchstäblich Redzepis Perspektive einnimmt. Deschamps überlässt dem Koch das Wort, dank umgeschnallter GoPro-Kamera sehen wir den Alltag wirklich aus dessen Sicht und auch bei der Arbeit blicken wir dem Koch wortwörtlich über die Schulter. So wird uns der eigenwillige Däne gewissermaßen ungefiltert und mit allen Widerhaken nähergebracht: Wenn er ausdauernd behauptet, dass ihm der dritte Michelin-Stern egal sei und dass er froh sei, nicht mehr all die „Arschlöcher“ bekochen zu müssen, die sein Restaurant nicht wegen der Qualität der Speisen besucht haben, sondern nur weil es die Nr. 1 war, stehen die Worte in totalem Widerspruch zu seinem Tonfall und zu seinen Handlungen. Nach dem Verlust der Krone stellt Redzepi nämlich alles auf den Kopf und lässt plötzlich sogar Kompromisse beim Konzept der reinen nordischen Küche zu.
Fazit: In der ersten Filmhälfte fehlt „Noma“ der erzählerische Fokus, sobald es aber darum geht, ob René Redzepi sein Kopenhagener Restaurant wieder zur Nr. 1 in der Welt machen kann, entwickelt sich das faszinierende Porträt eines Manns voller Widersprüche.