"mother!" von Darren Aronofsky ist ein unbequemer, irritierender Film und ich kann sehr gut verstehen, wenn man ihn fürchterlich findet. Es macht schon den Eindruck, dass Herr Aronofsky nicht mehr alle Steine auf der Schleuder hat und dies durch einen Film gewordenen Alptraum zu kompensieren sucht. Aber irgendwie entfaltet dieser kranke Scheiß auch einen gewissen Sog, geht an die Nieren, und lässt einen nicht so einfach wieder los. Und das ist schon faszinierend.
Ich sehe mich jedenfalls in der Situation, dass ich wirklich nicht weiß, was ich von diesem Film halten soll. Der war schon ziemlich gut, aber auch verstörend. Normalerweise kann ich es auch nicht ausstehen, wenn KÜNSTLER ihrem Publikum einen Haufen irrationalen, zusammenhanglosen, unangenehmen Kram vor den Latz knallen und wenn man sie fragt, was das soll, näseln sie in einem vor Verachtung triefenden Tonfall etwas zurecht, von wegen "kann man nicht mit dem Verstand erfassen", "Bilder auf sich wirken lassen", "Urtiefen der menschlichen Psyche", "man muss auch mal davon wegkommen, immer alles erklären zu wollen" und "wenn man das nicht versteht, ist man ein Kretin und hat gar nichts verstanden".
Nun weiß ich nicht, ob Darren Aronofsky auf die Frage nach dem, was er mit "mother!" eigentlich erzählen wollte, auf diese Weise antworten würde. Aber der Film wirkt ein stückweit wie affektierter, eingebildeter Kunstkram. Das zu den Gründen, weshalb ich dem Film keine 5 Sterne geben kann. Dafür war er einfach zu ... merkwürdig.
Aber warum sind es dann trotzdem noch 3,5 Sterne geworden, mag sich der geneigte Leser wundern? Nun, manche Filme brauchen ein wenig Zeit, um sie zu verdauen, und dann sind sie im Nachhinein eigentlich doch ziemlich gut. So ging es mir zum Beispiel mit "Enemy" von Denis Villeneuve. Bei "mother!" ist es ähnlich. Je mehr ich den Film innerlich Revue passieren lasse, umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass er doch was für sich hat.
Die Schauspieler sind klasse und die mise en scène großartig. Auch Kamera und Schnitt fand ich super. Es ist unmöglich, den Film in ein Genre zu ordnen. Er ist einerseits Psychothriller, andererseits Parabel, hat etwas Groteskes an sich und ab und zu blitzt ein Humor auf, wie man ihn auch bei Kafka findet. Er ist außerdem ein Paradebeispiel für das Unheimliche und ich bin mir sicher, wäre ich nicht schon seit 5 Jahren fertig mit dem Studium (Deutsche Literatur, Schwerpunkt Theater und Medien), dann wäre es mir eine Freude gewesen, "mother!" für meine Masterarbeit zu sezieren.
Er ist nämlich ein perfektes Beispiel für eine ambivalent markierte mentale Metadiegese (Badumm-Tss!). Mentale Metadiegesen sind in der Erzähltheorie der Sammelbegriff für Binnenerzählungen (Geschichten in der Geschichte), die sich in der Geisteswelt einer der Figuren abspielen - also Träume, Visionen, Nahtoderfahrungen, Rauschzustände, etc. "Ambivalent markiert" bedeutet, dass nicht eindeutig ist, ob es sich bei der gezeigten Handlung um eine Einbildung einer der Figuren handelt, oder um Dinge, die in der erzählten Welt tatsächlich der Fall sind.
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Und genau das ist in "mother!" der Fall. Der Film hört genauso auf wie er angefangen hat, und zwar mit dem Dichter, der seinen Kristall auf seinen Sockel stellt, und mit seiner Frau, die in ihrem Bett aufwacht. Das könnten Hinweise darauf sein, dass es sich um eine Vorstellung des Dichters handelt, oder um einen Alptraum seiner Frau.
Vielleicht ist das Ganze aber auch eine Metapher. Ich habe hier in zwei Kritiken gelesen - und das fand ich ziemlich schlüssig - dass es sich bei dem Haus um den Planeten Erde handelt, bei der Ehefrau des Dichters um Mutter Natur und bei den vielen Eindringlingen um die Erdbevölkerung, die das Haus (den Planeten) vollkommen zerstören. Fragt sich nur, was der Dichter in dieser Interpretation für eine Rolle spielt ... vielleicht Gott? Dessen Schöpfung ihm aus den Händen gleitet? Hm. Bin mir da nicht so sicher.
Meine Deutung wäre, dass es sich bei dem Film um eine Metapher für toxische Liebesbeziehungen und narzisstische Persönlichkeiten handelt. Das Haus steht für die Emotionen/die Seele des Dichters. Solange seine Frau funktioniert wie er es will und sein "Haus" von Grund auf saniert und wieder aufbaut, ist alles fein. Aber es ist ihm nicht genug. Er sehnt sich nach Bewunderung, Bedeutung, Unsterblichkeit. Und durch die fremden Besucher bekommt er dazu die Möglichkeit. Zugegeben, diese Interpretation ist noch nicht ganz ausgereift.
Fazit: Seltsamer, schräger Film, der nicht jedermanns Geschmack ist. Wer gerne herumrätselt und Interpretationsansätze zusammenfabuliert, kommt hier voll auf seine Kosten. Ansonsten ist der Film aber schon sehr anstrengend.