Am 9. Juni 2004 explodierte in der Kölner Keupstraße, in der vor allem Deutsch-Türken und Migranten leben, eine Nagelbombe. Heute wissen wir, dass es eine Tat der rechtsextremistischen NSU war. Über Jahre konzentrierten sich die Ermittlungen aber auf die Suche nach einem Täter aus den Reihen der eigentlichen Opfer. Um diese Menschen geht es Andreas Maus in seiner Dokumentation „Der Kuaför aus der Keupstraße“. Akribisch zeichnet der Regisseur nach, wie einseitig die Polizei ermittelte und auf ergreifende Weise zeigt er auf, welche psychischen Folgen die Jahrelang aufrecht erhaltenen falschen Verdächtigungen auf die Betroffenen hatten. Nicht immer gelingt es Maus dabei so distanziert und objektiv zu bleiben, wie es angesichts seiner kühlen, überlegten Inszenierung augenscheinlich seine Absicht war. Als eine der ersten filmischen Aufarbeitungen des NSU-Komplexes ist seine Dokumentation aber in jedem Fall von Relevanz.
Nicht zuletzt ist dies deswegen der Fall, weil sie sich nicht mit den Tätern, sondern fast ausschließlich mit den Opfern beschäftigt, die oft außen vor bleiben oder nur als Zahlen, als Statistik Erwähnung finden. Dass der Anschlag in der Keupstraße keine Todesopfer forderte, sondern „nur“ Verletze war wohl reiner Zufall. Die physischen Folgen waren dann auch rasch behoben, die psychischen dagegen nicht, besonders für den Kuaför, den Frisör Özcan Yildirim, vor dessen Geschäft das Fahrrad mit der Nagelbombe explodierte. Während die Anwohner rasch von einem Anschlag mit rechtsextremistischem Hintergrund ausgingen, ermittelten die Behörden jahrelang praktisch ausschließlich gegen die eigentlichen Opfer. Welche absurden Volten geschlagen werden mussten, um diese Annahme aufrecht zu erhalten zeigt sich in den mit Schauspielern nachgestellten Verhörprotokollen, die einen der größten, immer noch viel zu wenig beachteten politischen Skandale der vergangenen Jahre nachzeichnen.
Fazit: Wie der deutsche Staat die Opfer eines rechtsextremistischen Terrorangriffs jahrelang zu Tätern machte zeichnet Andreas Maus in seiner sehenswerten, wenn etwas zu subjektiven Dokumentation „Der Kuaför aus der Keupstraße“ nach.