Als der norwegische König Haakon VII. 1957 im Alter von 85 Jahren starb, war die Anteilnahme der Bevölkerung überwältigend. Der beliebte Herrscher hatte das Wohl seines Volkes immer loyal über das eigene gestellt und avancierte als gebürtiger Däne während des Zweiten Weltkriegs zum Symbol des Widerstands gegen die Besatzung durch Nazi-Deutschland, als er zum einzigen Mal seinen Grundsatz missachtete, sich nicht in Regierungsgeschäfte einzumischen und sich gegen eine Kapitulation Norwegens aussprach. Von dieser Gewissensentscheidung des seit 1905 herrschenden Monarchen erzählt Regisseur Erik Poppe („A Thousand Times Goodnight“) in seinem emotional packenden Historien-Kriegsdrama „The King’s Choice“ - einer sehenswerten Lektion in norwegischer Geschichte.
9. April 1940: Als die deutsche Wehrmacht das kleine Norwegen mit seinen nur fünf Millionen Einwohnern angreift, ohne vorher eine Kriegserklärung abzugeben, trifft das die Regierung in Oslo völlig unvorbereitet. Nur König Haakon VII. (Jesper Christensen) bewahrt Haltung. Er flieht mit seiner Familie nach Hamar und später nach Elverum, um sich dem Zugriff der Nazis zu entziehen. Mit seinem temperamentvollen Sohn, Kronprinz Olav (Anders Baasmo Christiansen), streitet Haakon über die angemessene Reaktion auf die dramatische Entwicklung. Olav wünscht sich mehr königliche Einmischung in die Geschäfte der schwach wirkenden Regierung, Haakon dagegen setzt auf eiserne Selbstdisziplin und Loyalität. Auf deutscher Seite versucht der Gesandte Curt Bräuer (Karl Markovics), Deutschlands oberster Diplomat in Norwegen, den Krieg zwischen den beiden Ländern noch durch ein Abkommen in letzter Minute zu stoppen. Dazu müsste Norwegen allerdings nahezu bedingungslos kapitulieren.
In seinem Ursprungsland war die norwegisch-deutsch-dänisch-schwedische Co-Produktion „The King’s Choice“ ein Riesenerfolg: Mehr als 700.000 Norweger schauten Erik Poppes historisches Drama, das auch für das nordische Land ins Rennen um den Auslands-Oscar 2017 ging (und immerhin unter die Top-9-Auswahl kam). Der aus der norwegischen (Königs-)Perspektive erzählte Film ist durchaus patriotisch angehaucht – immerhin wird der Monarch Haakon VII. ohne nennenswerte Makel als etwas knorriger, aber aufrechter Volksheld gezeichnet -, aber nicht einseitig, denn das rückgratlose Parlament bekommt schonungslos sein Fett weg. Poppe konzentriert die Handlung geschickt auf die vier ereignisreichen Tage zwischen dem 8. und 11. April 1940, der Zeit, in der Norwegen entscheiden musste, wie das Land auf die übermächtigen Aggressoren aus Deutschland reagiert. Dabei ist der Film weniger ein Schlachtengetümmel (die Kampfhandlungen sind hier nur ein Randaspekt) als ein Hinterzimmer-Diplomatie-Drama, in dem in langen emotional aufgeladenen Dialogen, Ideologien aufeinanderprallen. Leidenschaftlich wird um das Wohl des Landes oder auch um versteckte persönliche Interessen gerungen, während die Zeit immer knapper wird, woran akribische Einblendungen immer wieder erinnern und so die Spannung erhöhen.
Haakon VII. versucht mit der Regierung auf einen Nenner zu kommen und muss gleichzeitig seinen aufbrausenden Sohn Olav bremsen im Zaum halten, der sich über die gewählten Volksvertreter, denen er wenig Respekt entgegen bringt am liebsten einfach hinwegsetzen würde. Die feinfühlige Darstellung des Vater-Sohn-Gegensatzes zwischen der Besonnenheit des Alters und dem Ungestüm der Jugend ist eine weitere Stärke des Films: Der Regisseur baut auf kontrollierte Emotionen und meidet melodramatische Zuspitzungen, dennoch ist es beinahe schon rührend mitanzusehen, wie stark das familiäre Band, der Respekt und die Zuneigung sind, die Haakon und Olav trotz aller Meinungsverschiedenheiten miteinander verbinden. Diszipliniertes Schauspiel und bedachte Inszenierung gehen dabei wirkungsvoll Hand in Hand: Wenn die vielen Nachtszenen hier durch den Einsatz der ultralichtstarken Leica-Summilux-C-Digitalkamera in brillanter Schärfe erstrahlen, dann gibt das den Konflikten gewissermaßen Konturen und durch die Handkameraaufnahmen bekommt das Geschehen eine gewöhnungsbedürftige, aber mitreißendende Dynamik.
Fazit: Erik Poppes norwegische Kriegsgeschichtsstunde „The King’s Choice“ ist ein bildstarkes, gut gespieltes Drama voller Dynamik und Emotionen.