Der Nahe Osten: Ein ebenso populäres wie heikles Pflaster für Agenten-, Spionage-, und andere Thriller, denn die vielfältigen Konflikte, die oft seit Jahrzehnten in Ländern wie Syrien, Israel, Iran oder dem Libanon gären, bieten reichlich Stoff für Filme. Doch die verzwickten, auch für Insider oft kaum zu durchschauenden Feindschaften und Koalitionen sind auch ein politisches und moralisches Minenfeld, auf dem Filmemachern schnell ein Fehltritt passieren kann. Regisseur Brad Anderson („The Machinist“) und sein Drehbuchautor Tony Gilroy („State Of Play“) umschiffen mit „Beirut“, der in den USA einen kurzen Kinostart hatte und in Deutschland als Netflix-Premiere zu sehen ist, diese Probleme weitgehend und konzentrieren sich auf das Erzählen einer klassischen Agentengeschichte. Sie können sich dabei bisweilen nicht recht entscheiden, ob sie sich lieber an John le Carré oder an Jason Bourne orientieren sollen, aber obwohl die Mischung letztlich nicht ganz aufgeht, ist ihr Thriller sehenswert.
1982. Mason Skiles (Jon Hamm) setzt sein Verhandlungsgeschick momentan dazu ein, kleinere Gewerkschaftskonflikte zu lösen, ein Job, der ihn so sehr langweilt, dass er dem Alkohol nun noch mehr zuspricht als er es seit dem Tod seiner Frau ohnehin getan hat. Sie starb vor zehn Jahren, als Skiles ein hohes Tier in der amerikanischen Botschaft in Beirut war, der Hauptstadt des Libanon. Nun wird er von seiner Vergangenheit eingeholt und wird von der CIA freundlich gebeten, wieder nach Beirut zu fliegen: Sein alter Freund Cal ist von einer palästinensischen Terrorgruppe entführt worden, die nur mit Skiles verhandeln will. Ihr Anführer Karim (Yoav Sadian Rosenberg) war als 13-Jähriger Angestellter in der Botschaft und dessen Bruder trägt eine Mitschuld am Tod von Skiles‘ Frau.
Für wen sich dieses kurze Anreißen des Plots schon kompliziert anhört, der sollte einen weiten Bogen um „Beirut“ machen, denn die Inhaltsangabe ist nur die Spitze eines komplexen erzählerischen Eisbergs. Schließlich stammt das Drehbuch zu diesem Politthriller von Tony Gilroy, der wiederholt sein Faible für extrem verwickelte Handlungen gezeigt hat. Das gilt insbesondere für eigene Regiearbeiten wie „Michael Clayton“ und „Duplicity“, aber auch für seine „Bourne“-Skripts (er schrieb vier Filme mit dem Agenten und Auftragsmörder) und andere Arbeiten. Sein Drehbuch zu „Beirut“, das bereits in den 90er Jahren entstand, macht da keine Ausnahme und er bemüht sich redlich darum, die Konflikte im Libanon in all ihren wichtigen Facetten zu schildern.
Ende der 60er Jahre wurde der kleine Staat am Mittelmeer zum Auffangbecken für die Palästinenserorganisation PLO, die nach einer neuen Heimat suchte und sie in Beirut fand. Was anfangs noch als humanitäre Geste gedacht war, entwickelte sich für den Libanon zum Albtraum, denn Arafat und Co. setzten von dort aus ihren Feldzug gegen Israel fort, das mit Militärschlägen reagierte. Es folgte die Gründung der Hamas und schließlich beeinflussten auch der Iran und Syrien die Geschicke des Libanon. Diese wenigen Stichworte zeigen, woran Gilroy sich abgearbeitet hat und es kann nicht schaden, wenn man als Zuschauer ein wenig geopolitisches Grundwissen mitbringt, denn all das und mehr schwingt im Hintergrund von „Beirut“ mit.
Interne Rivalitäten bei Geheimdiensten und Terrorgruppen, nahezu undurchschaubare Verstrickungen zwischen allen beteiligten Seiten, lokale Konflikte mit globalen Auswirkungen: Tony Gilroys Szenario wäre eines Romans von John Le Carré würdig. Und in manchen Szenen, wenn in karg beleuchteten Hinterräumen zwielichtige Gestalten bei Drinks über das Schicksal von Menschen oder ganzen Volksgruppen diskutieren, als ginge es um das Wetter, gelingt es Anderson, eine zynische Welt zu zeigen, in der das Leben von Feinden gar nichts zählt und das Freunden nicht viel mehr. Ganz wie beim Autor von „Der Spion, der aus der Kälte kam“ und „Dame, König, As, Spion“. Anders als dort werden solche Momente hier jedoch schnell von rasanten Verfolgungsjagden durch Beirut (auch wenn nur bedingt überzeugend in Marokko gedreht wurde) abgelöst oder von Konfrontationen mit Gewehr im Anschlag.
Auch die Actionszenen sind durchaus gelungen, aber ein wenig landet „Beirut“ zwischen den Genrestühlen. Für einen straighten Thriller ist er ein wenig zu komplex angelegt, zugleich ist er zu actionlastig, um als kontemplative Geheimdienststudie durchzugehen. Dadurch wirkt das Ergebnis ein bisschen unrund, was seinem Unterhaltungswert jedoch kaum Abbruch tut. Für den sorgt vor allem auch Jon Hamm in der Hauptrolle, der nach „Mad Men“ immer noch nicht recht im Kino Fuß gefasst hat und hier fast so etwas wie eine Variation seines Don Draper zum Besten gibt, als dauerversoffener Protagonist zwischen allen Fronten.
Fazit: Brad Andersons Agentenfilm „Beirut“ ist eine nicht ganz aufgehende, aber dennoch sehenswerte Mischung aus Action und Drama vor dem Hintergrund des Libanon-Konflikts.