Das sichtbare Abtrennen von Gliedmaßen und Zerstückeln von Leichen gehört heute zum Standardrepertoire des Horrorkinos. Bis 1963 war das noch ganz anders, solche unerhörten Grausamkeiten gab es damals nicht zu sehen. Doch dann kam „Blood Feast“ in die amerikanischen Lichtspielhäuser. Regisseur Hershell Gordon Lewis leistete Pionierarbeit und begründete mit blutig-expliziten Gore-Szenen das Subgenre des Splatterfilms. In der Folge wurde sein ungestümes Machwerk zum berühmt-berüchtigten und sehr einflussreichen Kultfilm.
Tobe Hooper orientierte sich beim Dreh einer Häutungsszene in „The Texas Chainsaw Massacre“ an „Blood Feast“, Regisseurin Jackie King erwies ihm mit der parodistisch angelegten Hommage „Blood Diner“ ihre Ehrerbietung und John Waters ließ Lewis‘ Werk in einer Szene des rabenschwarzen Thrillers „Serial Mom – Warum lässt Mama das Morden nicht?“ über die Mattscheibe flimmern. Durch diese Film-im-Film-Referenz wurde der deutsche Regisseur Marcel Walz auf „Blood Feast“ aufmerksam und entwickelte die Idee eines Remakes. Er verpasst dem angestaubten und heute unfreiwillig komisch wirkenden Genre-Klassiker einen modernen Anstrich, wiederholt mit seinem erzählerisch schwachen Horror-Thriller „Blood Feast – Blutiges Festmahl“ aber auch einige grobe Fehler des Originals.
Nach ihrem Umzug aus den USA an den Stadtrand von Paris eröffnen Fuad Ramses (Robert Rusler) und seine Frau Louise (Caroline Williams) ein Diner nach amerikanischem Vorbild. Da die Kunden jedoch fernbleiben, muss Fuad zusätzlich als Nachtwächter im Museum arbeiten, um die Schulden zu tilgen. Eines Nachts erscheint ihm dort die Göttin Ishtar (Sadie Katz), die ihm im Gegenzug für ein Festmahl aus Menschenopfern ewige Liebe verspricht. Fuad gehorcht ihr und sieht die Chance, mit dem frischen Menschenfleisch sein Restaurant zu retten. Und schon bald sind die ersten Freunde seiner Tochter Penny (Sophie Monk) spurlos verschwunden…
Regisseur Marcel Walz („Raw – Der Fluch der Grete Müller“) hat den im September 2016 verstorbenen Hershell Gordon Lewis von Anfang an mit in das Remake-Projekt einbezogen und ihm auch eine kleine Rolle gegeben. Der kleine Auftritt des Horrorveteranen in einem kurzen Video als Experte für altertümliche Mythologie ist nicht die einzige Verbeugung vor dem Original: Noch während in blutroten Lettern die Vorspanntitel über die Leinwand huschen, sind etwa als Voice Over jene Warnhinweise an Zartbesaitete zu hören, die bereits 1963 in der Promotion von Lewis‘ Film zum Einsatz kamen.
Auch die zahlreichen expliziten Gore-Szenen, die für den US-Kinostart gekürzt werden mussten, stehen ganz in der Tradition des alten Films und daher wurde auf CGI-Effekte vollständig verzichtet. Damit das altehrwürdige Handwerk bei abgeschnittenen und zerkleinerten Körperteilen nicht allzu sehr in den Vordergrund tritt, sind nahezu alle blutigen Szenen in „Blood Feast – Blutiges Festmahl“ stark abgedunkelt, sodass große Teile des Sets in der Dunkelheit verschwinden. Zusammen mit einer (zu) dick aufgetragenen Musikuntermalung mit unheilvoll grollenden, anschwellenden Streichern schafft Marcel Walz eine buchstäblich düstere, zuweilen gar beklemmende Atmosphäre. Damit stellt er das hölzerne, zuweilen gar dilettantische Original locker in den Schatten.
Doch so sehr sein Remake optisch gelungen ist, so sehr fallen auch die Plot-Schwächen auf. Marcel Walz und Philip Lilienschwanz preschen in ihrem Skript etwa bis zur Hälfte der Laufzeit mit der Einführung aller Figuren und der Etablierung der kannibalischen Ausgangslage temporeich voran – und dann geht ihnen die Luft komplett aus. In der zweiten Hälfte gerät der Film zäh bis langatmig und das surreale Finale an einer improvisierten Kannibalen-Festtafel endet merkwürdig abrupt. Mehr noch als in anderen Genrefilmen bleiben viele Fragen offen – besonders was die Motivation von Fuad Ramses angeht. Seine anfängliche Absicht, den Familienbetrieb mit „Frischfleisch“ zu retten, wird im weiteren Handlungsverlauf gänzlich fallen gelassen und generell begeistert er sich irritierend schnell (und gänzlich unreflektiert) für den mörderischen Plan von Ishtar.
Diese offensive Vernachlässigung von Plausibilität ist hier nicht das einzige Trash-Element. Walz flirtet immer wieder mit gewollt witzigem Billig-Firlefanz, aber der Spagat zwischen dem Erscheinen von Ishtar im grellen Licht und einer billigen Ausstattung mit dekorativem Ägypten-Nippes auf der einen und ernsthafter Düsternis gelingt nicht, zumal der Film zuweilen auch in die Gefilde des sadistischen torture porn abgleitet. So ist das blutige Festmahl für Genrefans zwar stellenweise durchaus appetitlich, aber ein leckeres Menü ergibt sich dadurch nicht.
Fazit: „Blood Feast – Blutiges Festmahl“ beeindruckt mit handgemachten Splatter-Einlagen, der Plot fällt jedoch in der zweiten Filmhälfte in sich zusammen. So bietet das Remake des berühmt-berüchtigten Kultfilms leider nur Genre-Dutzendware.