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    Radio Heimat
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Radio Heimat
    Von Sascha Westphal

    Natürlich gab es Schimanski, und natürlich gibt es nun den allerdings zu großen Teilen in Köln gedrehten Dortmunder Tatort. Und natürlich sollte auch Adolf Winkelmann („Die Abfahrer“) mit seinen Filmen nicht unerwähnt bleiben. Trotzdem bleibt der Eindruck bestehen, dass das Ruhrgebiet nie wirklich im deutschen Kino und Fernsehen angekommen ist. Das sind höchstens die typischen Klischees: Das Ruhrgebiet, das waren früher einmal rauchende Schlote und ein entsprechend dunkler Himmel, heute sind es Bilder von heruntergekommenen Straßenzügen und Erzählungen von sozialen Brennpunkten. Bisher haben nur wenige Filmemacher versucht, ein vielfältiges Bild dieser Region, die einmal das industrielle Zentrum Deutschlands war, zu zeichnen. Selbst Winkelmann hat mit „Junges Licht“ zuletzt eher klassische Vorurteile bestätigt. Aber wenigstens zeugt seine Verfilmung von Ralf Rothmanns gleichnamigem Roman von einem Gespür für jene tieferen Wahrheiten und poetischen Beobachtungen, die sich durchaus in Klischees verbergen können. Winkelmann zitiert das Vertraute, um es schließlich zu transzendieren. Eine solche Ambition hat der Drehbuchautor, Regisseur und Kabarettist Matthias Kutschmann nicht. Sein Kinodebüt „Radio Heimat“, eine freie Adaption von einzelnen Motiven aus den Kurzgeschichten Frank Goosens, will nur eins: die Erwartungen erfüllen, die sich an eine im Ruhrgebiet spielende Teenie-Komödie knüpfen.

    Der 16-jährige Frank (David Hugo Schmitz) hat sich in seine Mitschülerin Carola Rösler (Milena Tscharntke) verguckt und möchte unbedingt, dass sie ihn und seine Gefühle bemerkt. Doch die Chancen dafür stehen eher schlecht. Schließlich ist er einer dieser ganz und gar durchschnittlichen Jungen, für die sich Mädchen wie Carola einfach nicht interessieren. Sie nimmt ihn gar nicht wahr. Also sucht Frank Hilfe bei seinen drei besten Freunden Pommes (Jan Bülow), Spüli (Hauke Petersen) und Mücke (Maximilian Mundt). Gemeinsam setzen sie Himmel und Erde in Bewegung, damit Frank endlich bei Carola landet, obwohl sie im Stillen längst ahnen, dass die beiden gar nicht zusammen passen. Aber das sagen sie nicht. Stattdessen besuchen sie gemeinsam Tanzstunden und beschließen, eine Rock-Band zu gründen. Schließlich können Musiker jede Frau bekommen.

    Wie seine Vorlage, die Kurzgeschichten Frank Goosens, ist auch Matthias Kutschmanns Erstling fest im Bochum der frühen 1980er Jahre verankert. Wohin sich der Blick der Kamera auch wendet, immer drängt sich etwas ins Bild, das typisch für das Ruhrgebiet und dieses mittlerweile nostalgisch verklärte Jahrzehnt sein soll. Das kann die stillgelegte Zeche sein, über deren Gelände Frank und seine Freunde nachmittags streifen, oder ein Büdchen, wie es Franks Großmutter führt, oder eben die Kneipe um die Ecke der Schule, in der die Jugendlichen in der großen Pause erst einmal ein Bier kippen. Kutschmann und sein Kameramann Gerhard Schirlo tragen das Lokal- wie auch das Zeitkolorit extrem dick auf. Die Details stimmen. Aber, und das ist eins der großen Probleme dieser Hommage an eine Zeit und eine Region, sie erwachen nicht zum Leben.

    Wer das Ruhrgebiet kennt und in den 1980er Jahren selbst Teenager war, wird sich an vieles sofort wieder erinnern. Alle anderen bleiben allerdings außen vor und können sich höchstens über die bizarren Klamotten und den seltsamen Dialekt amüsieren. Die doppelbödige Ironie, die Goosens Texte prägt, bleibt auf der Strecke. Kutschmann schwebt zwar offenkundig auch eine spöttische Liebeserklärung an die Region vor. Aber Figuren wie Franks Opa oder der sogenannte „Laberfürst“, der mit seinen Viertelweisheiten alle in der Schrebergarten-Siedlung und in der Kneipe nervt, bleiben Karikaturen.

    So wird das Ruhrgebiet zur exotischen Kulisse für eine extrem konventionelle Teenager-Geschichte. Frank und seine Freunde verbindet letztlich fast genauso viel mit den Jungen aus „American Pie“ wie mit Goosens Figuren. Nur dass in „Radio Heimat“ alles etwas deutscher und damit viel provinzieller wirkt. Da hilft es dann auch nichts, dass sich Franks Kommentare aus dem Off bleiern über alle Bilder legen. An sich spricht erst einmal nichts gegen ein ausführliches Voice-over. Dieses oft verpönte Stilmittel kann seinen eigenen Zauber entwickeln, wenn es in einen produktiven Dialog mit den Filmbildern tritt. Nur kann davon in diesem Fall keine Rede sein. Die Bilder verdoppeln nur, was Frank uns gerade erzählt.

    Fazit: Matthias Kutschmanns Spielfilmdebüt hätte durchaus das Zeug zu einem deutschen „American Graffiti“ gehabt. Doch dafür ist diese Liebeserklärung an das Ruhrgebiet der 1980er Jahre einfach viel zu konventionell und auch zu mutlos. Statt eigene Wege zu gehen, begnügt sich Kutschmann mit einem faden Aufguss der US-amerikanischen Teenagerfilme jener Ära.

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