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    Tatort: Spielverderber
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Spielverderber
    Von Lars-Christian Daniels

    Angesichts der jüngsten Programmänderungen der ARD wäre „Lückenbüßer“, „Ersatzlösung“ oder „Notnagel“ ebenfalls ein treffender „Tatort“-Titel gewesen – aber auch „Spielverderber“ trifft den Nagel gewissermaßen auf den Kopf. „Wir sollten uns nicht von Terroristen diktieren lassen, was wir im Fernsehen zeigen sollten. Dann können wir ja bald nur noch ein Testbild senden“, moserte Til Schweiger nach der Absage seiner für Ende November geplanten „Tatort“- Doppelfolge – doch der NDR gab den Spielverderber und ließ sich trotz der harschen Kritik seines Hauptdarstellers nicht davon abbringen, die Ausstrahlung der beiden „Tatort“-Folgen wegen inhaltlicher Parallelen zu den Pariser Terror-Anschlägen auf Januar 2016 zu verlegen. Während die Fans von Helene Fischer nun ein paar Wochen länger auf deren Gastspiel im „Tatort: Der große Schmerz“ warten müssen, dürfen sich die Anhänger von Maria Furtwängler („Die Flucht“) freuen: Charlotte Lindholm springt kurzerhand für den Hamburger „Tatort“-Kollegen Nick Tschiller in die Bresche. Ihr 23. Fall ist aber einer der schwächeren, denn Hartmut Schoens „Tatort: Spielverderber“ ist ein vorhersehbarer, wenig aufregender Flieger-Krimi und driftet auf der Zielgeraden in den Kitsch ab.

    Lore Körner (Nora Huetz) wird erschlagen auf dem Dachboden ihres Wochenendhauses aufgefunden. Die ersten Erkenntnisse von LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) deuten auf eine Beziehungstat hin: Hat sie ihr aufbrausender Ehemann Jan Körner (Gerdy Zint), der getrennt von ihr lebt und seine Brötchen als Bundeswehr-Pilot verdient, aus Eifersucht ermordet? Die Tote hatte nach der Trennung ein ausschweifendes Liebesleben geführt und offenbar nicht nur den Kameraden ihres Mannes, sondern auch Paul Goebels (Thure Lindhardt), dem als Künstler tätigen Gatten der engagierten Soldatin Kristin Goebels (Jasmin Gerat), schöne Augen gemacht. Die Ermittlungen führen Lindholm auf einen Fliegerhorst in Wunstorf, wo der leitende Oberst Andreas Friedrichs (Richard van Weyden) ein strenges Regiment führt. Er zeigt sich der Polizistin gegenüber zunächst wenig auskunftsfreudig, doch das ändert sich bald: Die Kommissarin lässt ihren Charme spielen und kommt dem Stützpunktleiter näher ...

    Nach gewissen Fixpunkten im Niedersachsen-„Tatort“ kann man mittlerweile die Uhr stellen: Kaum hat die vielbeschäftigte Kommissarin ihren neuen Fall aufgenommen, zückt sie auch schon ihr Diensthandy. Es folgen – na klar – die immer gleiche Bitte an die Oma Annemarie (gespielt von Maria Furtwänglers Mutter Kathrin Ackermann), auf den Enkel David aufzupassen, und Lindholms immer gleiches Versprechen sich zukünftig auch wirklich mehr Zeit für ihren kleinen Sohn zu nehmen. Standardabläufe wie diese gehören seit Jahren so fest zum Krimi aus Hannover wie das Fadenkreuz zum „Tatort“-Vorspann. Wenigstens verzichtet Regisseur Hartmut Schoen („Unverschämtes Glück“), der gemeinsam mit Susanne Schneider („Solo für Klarinette“) auch das Drehbuch schrieb, dieses Mal auf die fast obligatorische Duschszene von Maria Furtwängler – stattdessen gibt es einen selbstironischen Cameo-Auftritt von BILD-Herausgeber Kai Diekmann zu entdecken, der als aufgeschnittene Leiche auf einem Seziertisch zu sehen ist („Bei dem ist richtig was schief gegangen“); fast die beste Szene in einem „Tatort“, dem es ansonsten an frischen Ideen mangelt.

    Ob es daran liegt, dass Charlotte Lindholm diesmal ohne ortskundige Unterstützung auskommen muss? Während der NDR seiner LKA-Kommissarin sonst gerne mal eine überforderte Dorfpolizistin oder einen instinktfreien Provinzbeamten zur Seite stellt, wird sie diesmal vom überkritischen Staatsanwalt Mühlhoff (Rainer Winkelvoss) beäugt, der ihr in der zweiten Filmhälfte kaum noch von der Seite weicht (und offenbar auch nichts besseres zu tun hat). Seine bemühten Bringen-Sie-mir-endlich-Beweise-Predigten sind nur eine Frage der Zeit, und auch sonst ist der 963. „Tatort“ eine vorhersehbare Aneinanderreihung uninspirierter Standardszenen, wie man sie schon oft in Krimis gesehen hat. Selbst für eine flüchtige Romanze Lindholms – auch nicht die erste in ihren 13 Dienstjahren – bleibt Zeit: Nach einem einleitenden Beinahe-Unfall auf der Landstraße kriegen sich Lindholm und Oberst Andreas Friedrichs in die Haare, um später bei einer gemeinsamen Runde im Flugsimulator auf Tuchfühlung zu gehen.

    Dem Schauplatz Fliegerhorst gewinnen die Filmemacher ansonsten wenig Interessantes ab: Während im Saarbrücker „Tatort: Heimatfront“ 2011 die Traumata deutscher Afghanistan-Soldaten greifbar wurden, wird der Bundeswehr-Alltag im „Tatort: Spielverderber“ romantisiert und kaum von innen beleuchtet. Da passt es ins Bild, dass sich auch Kommissar Zufall mehrfach in die Ermittlungen einschaltet: Die Tatwaffe entdeckt die Kommissarin bei einem Halt am Straßenrand über eine Distanz von 20 Metern – rein zufällig, mitten auf einem Acker im Nirgendwo der niedersächsischen Provinz. Auch die Täterfrage ist angesichts der Rollenbesetzung und der geringen Auswahl an ernstzunehmenden Verdächtigen leicht zu beantworten. Warum die ARD einen teuren Außendreh auf Sardinien ansetzte, erschließt sich im Übrigen nicht: Lindholms kurze Stippvisite in Italien hätte sich mit minimalen Drehbuchänderungen mühelos in heimischen Gefilden realisieren lassen, ohne dass dies dem Film geschadet hätte. Und der Judy-Garland-Klassiker „Over The Rainbow“ musste wohl selten für einen solch künstlich überhöhten, kitschigen Showdown herhalten wie in diesem „Tatort“.

    Fazit: Helmut Schoens „Tatort: Spielverderber“ ist ein weitgehend langweiliger Flieger-Krimi nach Schema F.

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