In den 1970er-Jahren erlebte der Rape-and-Revenge-Film seine Blütezeit. Bis heute sind die Klassiker dieses Subgenres wie Meir Zarchis „Ich spuck auf dein Grab“ oder Wes Cravens „Das letzte Haus links“ ein Muss für alle Exploitation-Fans. Seit Steven R. Monroe 2010 ein extrem brutales „I Spit on Your Grave“-Remake vorlegte landen wieder verstärkt weibliche B-Movie-Rachefeldzüge auf dem hiesigen Heimkinomarkt. Mit „Rache – Bound To Vengeance“ (deutscher Heimkino-Start: 1. September 2016) schickt Regisseur José Manuel Cravioto nun eine weitere Kandidatin ins Rennen. Er setzt allerdings anders als die genannten Kollegen nicht auf unerträgliche Vergewaltigungsszenen oder exzessive Gewaltorgien. Vielmehr versucht er sich an einem vergleichsweise originellen Storyaufbau und will ganz offensichtlich ganz gezielt die Erwartungen der Zuschauer unterlaufen, was über weite Strecken allerdings nur mittelmäßig funktioniert.
Die 21-jährige Eve (Tina Ivlev) kann ihr Glück kaum fassen: Nach monatelanger Tortur schafft sie es mit letzter Kraft, aus dem Folterkeller des perversen Sex-Straftäters Phil (Richard Tyson) zu entkommen. Doch die Freude währt nur kurz. Denn im Haus ihres Peinigers stößt sie auf eindeutige Hinweise, dass dieser noch weitere Mädchen irgendwo gefangen hält. Kurzerhand nimmt Eve daraufhin den außer Gefecht gesetzten Entführer buchstäblich an die Leine und dreht den Spieß um. Mit Gewalt zwingt sie Phil dazu, die Verstecke der anderen Opfer preiszugeben. Doch bereits die erste Befreiungsaktion entwickelt sich völlig anders als erwartet und für Eve beginnt ein erneuter Albtraum von ungeahntem Ausmaß.
Es ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach, im größtenteils ziemlich eindimensionalen Rape-and-Revenge-Genre frische Akzente zu setzen. Vielleicht hat sich José Manuel Cravioto genau deshalb dazu entschieden, bei „Rache – Bound To Vengeance“ auf die typisch effekthascherischen Metzel-Einlagen zu verzichten. In den ersten Minuten läuft zwar auch hier noch alles nach Schema F ab, doch dann folgt bereits die erste Überraschung. Die geschundene Protagonistin Eve überlegt sich nämlich keine ausgefallenen Grausamkeiten, um sich persönlich an ihrem Folterknecht zu rächen, sondern denkt zunächst ausschließlich an die Rettung der anderen Opfer. Ein durchaus interessanter Handlungsansatz, dessen Potenzial im Verlauf der 80 Filmminuten allerdings nur bedingt zur Entfaltung kommt. Dabei beginnt die betont düster gehaltene Tour de Force vielversprechend und sorgt mit makabren Einfällen sogar für zwischenzeitliches Schmunzeln. Bestes Beispiel dafür ist die versehentliche Selbstaufspießung einer frisch befreiten Gefangenen. Zur Mitte des Films bekommt das Geschehen jedoch zunehmend arg unlogische Züge.
Insbesondere das Verhalten von Eve ist irgendwann kaum noch nachvollziehbar. Zwar bringen die Filmemacher nach und nach deren Motive zum Vorschein, doch die fallen ihrerseits sehr dünn aus. Die etwas krampfhaft eingestreuten „Überraschungs“-Wendungen stellen ein weiteres Problem dar, denn sie sind eklatant offensichtlich. Für einigermaßen aufmerksame Zuschauer dürfte der große Knalleffekt zum Ende hin dann auch eher einer leichten Verpuffung gleichen. Überhaupt nichts zu meckern gibt es dagegen in inszenatorischer Hinsicht. Der dunkle, heruntergekommene Look passt hervorragend zur bedrückenden Thematik, Kameramann Byron Werner überzeugt zudem mit diversen kreativen Einstellungen sowie ungewöhnlichen Perspektiven. Und Hauptdarstellerin Tina Ivlev schlägt sich ebenfalls wacker in der Rolle des zurückschlagenden Opfers - zumindest nimmt man ihr den Spagat zwischen zerbrechlichem Wrack und kompromissloser Rache-Furie einigermaßen ab. Zudem ist erfreulich, dass es „Rache – Bound To Vengeance“ trotz der heiklen Thematik und einiger sehr harter Szenen ungekürzt durch die FSK-Prüfung geschafft hat.
Fazit: Aus guten Ansätzen wird in „Rache – Bound To Vengeance“ insgesamt etwas wenig herausgeholt, für Genre-Fans lohnt sich ein Blick auf den abgründig-heftigen Rache-Thriller dennoch allemal.