In Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern ist das Leugnen des Holocaust aus gutem Grund ein Straftatbestand. Das hält bestimmte Leute aber nicht davon ab, die historischen Fakten zu ignorieren und den von den Nationalsozialisten verübten Völkermord an den Juden öffentlich in Zweifel zu ziehen. Einer der international bekanntesten Holocaustleugner ist der Brite David Irving, der bis in die 1980er Jahre hinein als Forscher durchaus ernstgenommen wurde, danach aber zunehmend seine Reputation einbüßte und zwischenzeitlich sogar wegen seiner Leugnung der Existenz von Gaskammern in den Nazi-Lagern in Österreich im Gefängnis saß. Einen entscheidenden Schlag bekam der Ruf Irvings durch das Urteil im von ihm selbst angestrengten Prozess gegen die US-Historikerin Deborah Lipstadt im Jahr 2000. Genau von diesem Verfahren erzählen Regisseur Mick Jackson („Bodyguard“) und Drehbuchautor David Hare („Der Vorleser“) in ihrem Justizdrama „Verleugnung“ und stellen sich dabei auf die Seite der historischen Wahrheit. Das ist in unseren postfaktischen Zeiten ein ehrenwertes Unterfangen, allerdings werden dabei viele der an das Thema geknüpften moralischen und politischen Fragen höchstens angerissen, und auch die Figurenzeichnung ist eindimensional. So bezieht der betulich-bedeutsam inszenierte Film seine ganze Spannung und Kraft fast ausschließlich aus dem Umstand, dass die Fakten der Erzählung wahr sind.
Als die amerikanische Historikerin Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) an ihrer Universität in Atlanta einen Vortrag hält, meldet sich in der anschließenden Diskussion der von ihr als Holocaustleugner bezeichnete britische Autor David Irving (Timothy Spall) zu Wort. Er fordert von ihr Beweise dafür, dass Hitler den Judenmord befohlen habe und weist Lipstadts Darstellung lautstark zurück. Einige Zeit später erscheint ihr Buch „Betrifft: Leugnen des Holocaust“ auch in Großbritannien, woraufhin sie Irving 1996 verklagt: Für ihn sind die ihn betreffenden Passagen Verleumdung. Als es im Jahr 2000 schließlich zum Prozess in London kommt, muss Lipstadt beweisen, dass die von ihr erhobenen Vorwürfe gegen Irving der Wahrheit entsprechen. Sie heuert die einheimischen Staranwälte Richard Rampton (Tom Wilkinson) und Anthony Julius (Andrew Scott) an, während sich der Nazi-Sympathisant und Antisemit Irving selbst vertritt…
Durch die Besonderheiten des englischen Rechts (im Gegensatz zum amerikanischen) muss die Angeklagte beweisen, dass ihre Anschuldigungen gegen den Holocaustleugner wahr sind. In letzter Konsequenz bedeutet das für sie auch: Sie muss vor Gericht nachweisen, dass der Völkermord wirklich stattgefunden hat. Aus dieser fast schon absurden Ausgangslage bezieht der Film seinen Reiz. Wenn hier im Gerichtssaal anhand von Bauplänen debattiert wird, ob es in Auschwitz wirklich Gaskammern gab, dann bekommt „Verleugnung“ einen fast schon gespenstischen Unterton. Auch aus erzählerischer Sicht interessant ist dabei, dass die naheliegende Empörung (die leidenschaftliche Lipstadt würde am liebsten Holocaust-Überlebende in den Zeugenstand rufen, um den ungeheuerlichen Verdrehungen Irvings eine emotionale Wahrheit gegenüberzustellen) aus prozesstaktischen Gründen immer wieder unterdrückt wird.
Der professionelle Pragmatismus, mit dem Lipstadts Anwälte den Fall behandeln, führt allerdings im Film immer wieder nur zu denselben oberflächlichen Diskussionen über den angemessenen Umgang mit der Sache – da muss es dann zur Beruhigung genügen, dass Anwalt Rampton irgendwann bei einem Glas Wein seine Menschlichkeit beteuert. Immerhin schafft es Tom Wilkinson („Michael Clayton“), diesen Moment überzeugend und glaubhaft zu gestalten, während Rachel Weisz („Der ewige Gärtner“) auch darstellerisch nicht recht zu wissen scheint, wie sie mit Lipstadts erzwungener Passivität und Selbstverleugnung (sie darf selbst auch nicht als Zeugin aussagen) umgehen soll. Selten sind Momente wie ein Abendessen mit potenziellen Geldgebern aus der jüdischen Gemeinde, die sie drängen, sich außergerichtlich mit Irving zu einigen: Hier blitzt eine Ambivalenz und ein Unbehagen auf, das die Filmemacher sonst tunlichst meiden. Und so treiben sie auch David Irving jede Ausstrahlung aus: Natürlich muss man seinen geschmacklosen „Thesen“ kein Forum bieten, aber sie reduzieren den Biedermann sicherheitshalber gleich zum in jedem Aspekt seines Auftretens und Aussehens unangenehmen Zeitgenossen, gerade auch in der Inszenierung des Privatmanns – Timothy Spall („Mr.Turner“) bekommt gar nicht erst die Gelegenheit zu einer mehrdimensionalen Charakterisierung.
So erscheint David Irving hier am Ende auch nicht als die Spitze eines Eisbergs oder als Teil eines größeren Problems (vom politischen oder medialen Echo wird uns sowieso fast nichts gezeigt), sondern als ein irre geleiteter Einzelkämpfer. Trotzdem gibt es in „Verleugnung“ auch wahrlich beklemmende Momente – und zwar nicht nur in den an Originalschauplätzen in Auschwitz gedrehten Szenen, sondern auch wenn der Richter in einem entscheidenden Moment öffentlich über eine fast schon undenkbare Sicht auf den Fall nachdenkt. Obwohl Regisseur Jackson darüber ein wenig hastig hinweggeht: Hier hängt plötzlich alles am seidenen Faden und eine ganz andere Perspektive auf freie Meinungsäußerung, Recht und Gerechtigkeit tut sich auf. Solche herausfordernde Ambivalenz hätte dem insgesamt etwas zu sehr auf Nummer sicher gehenden Film auch an anderer Stelle gutgetan.
Fazit: Beim Gerichtsdrama „Verleugnung“ ist die biedere Inszenierung nicht auf der Höhe der thematischen Brisanz.