Im Container versteckt in ein fremdes Land – da denkt man heutzutage natürlich als erstes an Flüchtlinge, die sich auf diesem Weg in den Westen schmuggeln. Aber in der Istanbul-Doku „Hasret – Sehnsucht“ nehmen Regisseur Ben Hopkins und seine Filmcrew genau den umgekehrten Weg: Weil zu wenig Geld für die Dreharbeiten da ist, muss das Team per Container in die Türkei reisen. Zumindest beginnt so der Film, bei dem schon nach dieser wunderbar pointierten Eröffnungsszene klar ist, dass man ihn nicht als klassische Städte-Dokumentation (miss-)verstehen sollte. Wie schon häufiger in seiner Karriere bewegt sich Hopkins („37 Uses For A Dead Sheep“) auch diesmal wieder auf dem spannenden Grat zwischen Dokumentation und Fiktion: Der Regisseur vermischt offensichtlich fiktive Momente mit möglicherweise dokumentarischen und unterlegt seine Bilder mit einem dezidiert subjektiven Kommentar, dessen lose Gedankengänge selten das Gezeigte beschreiben. So entwirft er das imaginäre Porträt einer Metropole, in der er selbst mehrere Jahre seines Lebens verbracht hat.
Auch wenn die erste Szene anderes vermuten lässt, geht es in „Hasret - Sehnsucht“ nur am Rand um die sozialen Realitäten Istanbuls. Themen wie die Immigrantenströme oder die Proteste am Gezi-Park werden zwar gestreift, in erster Linie drehen sich Hopkins‘ Gedanken jedoch um ihn selbst und seine Schaffenskrise, die er zuletzt auch schon in seinem (Spiel-)Film „Welcome To Karastan“ thematisierte. Außerdem geht es um diesen seltsamen, unbestimmten Reiz, den die Metropole am Bosporus auf ihn ausübt. Ist „Hasret“ zu Beginn meist noch deutlich dokumentarisch, wird er bald immer surrealer und wunderlicher: Hopkins führt die Suche nach seinem ganz persönlichen Istanbul bis in ein angebliches Geisterhaus, das in brillanten Schwarz-Weiß-Bildern besonders magisch und ästhetisch erscheint. Ähnlich wie in seinem bekanntesten Film „Die neun Leben des Tomas Katz“ erzeugt Hopkins allein mit seinem Voice Over eine faszinierende Atmosphäre, in der die „Realität“ Istanbuls zunehmend dem durch und durch subjektiven Blick des Filmemachers Platz macht.
Fazit: Ben Hopkins sucht in seinem zwischen Fakt und Fiktion angesiedelten Istanbul-Porträt weniger nach einer dokumentarischen, sondern vielmehr nach einer subjektiven Wahrheit.