Den inoffiziellen Wettbewerb im Kirschblüten-Wettprahlen bei den 68. Filmfestspielen in Cannes 2015 hat die japanische Autorenfilmerin Naomi Kawase („Der Wald der Trauer“, „Still The Water“) gegen ihren Landsmann Hirokazu Koreeda gewonnen. Sowohl in ihrem „Kirschblüten und rote Bohnen“ als auch in Koreedas „Our Little Sister“ blühen die Kirschbäume so märchenhaft, dass dies für europäische Augen fast schon unwirklich schön erscheint. Kawase zelebriert diese Pracht in ihrer Adaption von Durian Sukegawas Roman noch eindrucksvoller als ihr Kollege, doch das ist nur ein Pyrrhussieg, denn Koreedas Film ist dafür insgesamt deutlich besser. „Kirschblüten und rote Bohnen“ ist ein sentimentales Drama, das trotz präziser Schauspieler über weite Strecken recht eindimensional und vorhersehbar bleibt.
Im Mittelpunkt der Erzählung stehen zwei Außenseiter. Welches Unglück Sentaro (Nagase Masatoshi) ins Abseits getrieben hat, wird dabei erst spät im Film erklärt, aber man spürt sofort, dass der etwas mürrisch wirkende Manager einer Imbissbude für Dorayakis (mit Bohnenpaste gefüllte Pfannkuchen) ein ordentliches Päckchen zu tragen hat. Als er eine neue Assistentin für seinen kleinen Laden sucht, bewirbt sich die gebrechliche 76-jährige Tokue (Kiki Kirin) und obwohl sie den körperlichen Herausforderungen des Jobs kaum gewachsen ist, stellt Sentaro sie ein: Sie hat ihn mit ihrer herausragenden Bohnenpaste überzeugt, die dem Imbiss prompt neue Kunden beschert…
Regisseurin Naomi Kawase konzentriert sich in „An“ (so der Originaltitel - ein japanisches Wort für die im Film so wichtige Rote Bohnenpaste) voll auf die beiden Hauptpersonen, lediglich die von Uchida Kyara gespielte Schülerin Wakana sowie Miyoko Asada als Sentaros rigorose Chefin tauchen noch mehrmals auf. Die beiden vom Leben gezeichneten Protagonisten werden dabei zwar feinfühlig und mit mildem Humor aber auch recht oberflächlich porträtiert und der Film bleibt dabei nicht nur arm an äußeren Ereignissen, sondern es fehlt ihm bald auch an innerer Spannung. Erst als man schon fast denkt, dass nichts in irgendeiner Form Überraschendes mehr passieren wird, reißt Kawase das Ruder herum. Mit einer unerwarteten Wendung legt sie den Erzählhebel etwa zur Mitte des Films von Tragikomödie auf Drama um und eröffnet zugleich eine interessante neue thematische Perspektive. Doch alsbald kehrt sie auch unter den veränderten Vorzeichen zu ihrer betulichen Erzählweise zurück. Und so lebt „Kirschblüten und rote Bohnen“ hauptsächlich von seinem Humanismus: Immer wenn Kawase jeglichen Zynismus dieser Welt ignoriert und ihre beiden Antihelden einfach menschlich sein lässt, berührt der Film am stärksten.
Fazit: Letztendlich ist es verständlich, dass Naomi Kawases sentimentales Drama „Kirschblüten und rote Bohnen“ in Cannes 2015 „nur“ in der Nebenreihe „Un Certain Regard“ gezeigt wurde, denn abgesehen von einigen anrührenden Augenblicken gibt es hier einfach zu viel Leerlauf.