Der Februar 2015 ist so etwas wie ein „Abschiedsmonat“ im „Tatort“ – an den vier Sonntagen sind nämlich gleich drei Mal Kommissare im Einsatz, die der öffentlich-rechtlichen Krimireihe nicht mehr lange erhalten bleiben. Die Konstanzer Ermittler Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) läuteten ihren für 2016 angekündigten TV-Ruhestand mit dem durchwachsenen „Tatort: Chateau Mort“ bereits ein. Nun steht mit dem Leipziger „Tatort: Blutschuld“ auch der vorletzte Fall für Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) an, bevor eine Woche darauf der Frankfurter Hauptkommissar Frank Steier (Joachim Król) im „Tatort: Das Haus am Ende der Straße“ seinen Hut nimmt. Während die Steier-Krimis fast durch die Bank überzeugten, sucht man echte „Tatort“-Höhepunkte mit Keppler und Saalfeld (die seit 2008 immerhin neunzehn Mal gemeinsam auf Täterfang gingen) bis heute vergeblich. Auch der „Tatort: Blutschuld“ von Regisseur und Drehbuchautor Stefan Kornatz („Verhältnisse“) bringt keine Trendwende, zählt aber zu den besseren Folgen aus Leipzig.
Der Abfallunternehmer Harald Kosen (Berhard Schütz) wird im Schlafzimmer seines Hauses erschlagen aufgefunden. Als die Leipziger Hauptkommissare Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) am Tatort eintreffen, sieht zunächst alles nach einem Raubüberfall aus: Aus dem Tresor des Toten wurde eine große Menge Bargeld gestohlen. Doch die Brutalität des Mordes deutet auf eine Tat aus Wut oder Hass hin. Wurde das Geld entwendet, um das wahre Tatmotiv zu verschleiern? Keppler und Saalfeld, die bei ihren Ermittlungen von Kriminaltechniker Wolfgang Menzel (Maxim Mehmet) unterstützt werden, verdächtigen den abgehalfterten Alkoholiker Christian Scheidt (Uwe Bohm), einen ehemaligen Firmenpartner des Toten. Kosens herzkranke Ehefrau Astrid (Lina Wendel) scheidet dagegen als Täterin aus. Ins Visier der Kommissare geraten auch Kosens Tochter Sofie (Natalia Rudziewicz) und deren Mann Frank Bachmann (Alexander Khuon), der in der Firma des Ermordeten angestellt ist. Aber auch dessen frisch aus dem Gefängnis entlassener Sohn Patrick (Tino Hillebrand) ist alles andere als gut auf seinen Vater zu sprechen...
Wenn sich die „Tatort“-Autoren Unterstützung bei dem ehemaligen Kriminalisten, Profiler und Autor Axel Petermann holten, kam bisher immer ein überzeugender Krimi dabei heraus: Schon drei Fälle aus seinem Buch „Auf der Spur des Bösen“, mit dem Petermann 2010 die Bestsellerlisten stürmte, dienten als Vorlage für starke „Tatort“-Folgen aus Frankfurt – unter anderem für den „Tatort: Es ist böse“, bei dem Petermann zum ersten Mal mit Regisseur Stefan Kornatz zusammenarbeitete. Der ließ sich für sein Drehbuch zum „Tatort: Blutschuld“ ein zweites Mal vom Ex-Profiler beraten, was man bemerkt: Kornatz arrangiert einen atmosphärisch dichten, emotional aufgeladenen und für Leipziger Verhältnisse überraschend brutalen Fall, bei dem die obligatorische Auftaktleiche nicht die einzige bleibt. Spätestens im Mittelteil wirkt das Geschehen aber etwas überfrachtet und konstruiert: Jeder Verdächtige, ganz gleich ob er aus der zerrütteten Kosen-Familie stammt oder nicht, steht in irgendeiner engen Beziehung zu den anderen Verdächtigen. Weil die Filmemacher zudem einen mehr als offensichtlichen Hinweis auf den Täter platzieren, ist der Krimi am Ende auch ziemlich vorhersehbar. Für die Dialoge der Leipziger Hauptkommissare gilt das Gleiche: Saalfeld macht ihrem Ex-Mann Keppler Komplimente, während der lieber in sich hineinfrisst, was er empfindet.
Auch sonst vermögen die abgesetzten Ermittler aus Sachsen bei ihrem vorletzten Fall nur selten zu überraschen: Wie so oft sind es auch in „Tatort: Blutschuld“ wieder die bemüht lockeren Dialoge und platten Verhör-Automatismen, die den Krimi aus Leipzig seit jeher so profillos und austauschbar machen. Für Stimmung sorgen stattdessen die Nebenfiguren: Schon die ersten Filmminuten erweisen sich als ziemlich aufwühlend, weil von Beginn an eine gereizte Grundstimmung herrscht und sich die Verdächtigen permanent gegenseitig ans Leder wollen. Mit Tiefgang werden allerdings nur wenige von ihnen ausgestattet: Dem arbeitslosen Ingenieur Christian Scheidt räumen die Filmemacher am meisten Raum ein, während zum Beispiel die Ex-Frau des getöteten Unternehmers nur sehr grob skizziert wird. Auch der spontane „Mädelsabend“ von Saalfeld und Kosen-Tochter Sofie wirkt seltsam deplatziert und sorgt eher für unfreiwillige Komik als für nuancierte Charakterzeichnung. Dass der erneut stark aufspielende Uwe Bohm („Gold“) nur eine Woche nach seinem charismatischen Auftritt im Konstanzer „Tatort: Chateau Mort“ schon wieder als Hauptverdächtiger zu sehen ist, ist daneben eine für Stammzuschauer der Krimi-Reihe eher unglückliche Terminierung.
Fazit: Regisseur und Drehbuchautor Stefan Kornatz inszeniert mit dem „Tatort: Blutschuld“ einen der besseren Fälle aus Leipzig, aber unter dem Strich bliebt trotzdem nur durchschnittliche Krimi-Kost.