Wer den kanadischen Experimentalfilmer Guy Maddin kennt, der weiß was ihn erwartet: surreale Bilder, eine unbändige Faszination für den Stummfilm, assoziativ zusammengesetzte Fragmente, denen sich mal leichter, mal schwieriger Sinn zuweisen lässt. Genau so funktioniert auch „The Forbidden Room“, mit dem Maddin 2015 nach „Brand Upon the Brain!“ und „The Saddest Music in the World“ erneut Gast im Forum der Berlinale ist. Ein Bibelzitat aus dem Johannes-Evangelium ist dem Film als Motto vorangestellt: „Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.“ Was nun in 128 Minuten folgt, ist allerdings keineswegs religiös, dafür ist Maddin viel zu ikonoklastisch und verrückt, zu schwul und seine Fantasie schlichtweg zu bizarr. Stattdessen sieht man eine lange Folge mehr oder weniger zusammenhängender Bilder und loser Versatzstücke, die Saat unzähliger, oft kaum greifbarer Geschichten. Dennoch ergibt all das immer wieder verblüffenden Sinn: Maddins experimenteller Kunstfilm ist in seiner Essenz eine Hommage an das Kino der Stummfilmzeit, an das Erzählen und an die Imagination.
Die Geschichte von „The Forbidden Room“ nachzuerzählen ist ein so gut wie aussichtsloses Unterfangen: Nach einem Prolog, in dem über die richtige Art, ein Bad zu nehmen, doziert wird, geht es in ein U-Boot in Seenot, wo durch eine Luke plötzlich ein Holzfäller eintritt, der allerlei Geschichten von entführten Frauen, Geistern, merkwürdigen Doktoren und vielem anderen erzählt. Eine Story folgt auf die andere, spontane Wendungen führen zu immer neuen verrückten Anekdoten – dabei tauchen bekannte Schauspieler wie Mathieu Amalric („Das blaue Zimmer“, „Ein Quantum Trost“), Geraldine Chaplin („Doktor Schiwago“) oder Udo Kier („Blade“, „Iron Sky“) in teils winzigen Rollen auf. Gefilmt ist das Ganze in einem dem Stummfilmkino nachempfundenen Stil, inklusive viragierter Bilder, ruckelndem Bildlauf, verbranntem Zelluloid. Das ist manchmal etwas ermüdend, bisweilen wird hier ungeniert vom Hundertsten ins Tausendste gesprungen. Doch gerade diese ungezähmte Lust am Erzählen und die Nicht-Beachtung sämtlicher „Regeln“ des Mainstreamkinos machen den besonderen Reiz von Guy Maddins Schaffen aus.
Fazit: Die liebevolle Stummfilm-Hommage „The Forbidden Room“ ist bildgewaltig, verspielt, sprunghaft, assoziativ, merkwürdig und absolut einzigartig: ein typischer Maddin eben.
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.