Das US-amerikanische Biopic „The Queen Of Katwe“ über Phiona Mutesi aus Uganda ist nach Edward Zwicks „Bauernopfer“ und dem neuseeländischen Drama „Das Talent des Genesis Potini“ bereits das dritte Porträt einer berühmten Schachspieler-Persönlichkeit, das es innerhalb von nur zwölf Monaten auf die hiesigen Leinwände schafft. Im Vergleich zum exzentrischen Genie Bobby Fischer und zum charismatischen Genesis Potini, den Protagonisten aus den anderen beiden Filmen, wirkt die 1996 geborene afrikanische Schach-Olympionikin auf den ersten Blick fast ein wenig farblos. Aber Regisseurin Mira Nair („Monsoon Wedding“) macht sich die Zurückhaltung der Figur zu eigen und nutzt sie zum Vorteil des Films: Ihr Drama ist eine ebenso besonnene wie motivierende Erzählung darüber, dass jeder seinen eigenen Traum erst finden muss, ehe er ihn verfolgen kann – und dass das gar nicht so einfach ist. Damit bildet „The Queen Of Katwe“ eine Ausnahme in der Reihe der ansonsten meist so geradlinig-optimistischen und bruchlos positiven Sportfilme aus dem Hause Disney: Hier ist selbst mit Einsetzen des Abspannes noch lange nicht alles in Ordnung.
Die neunjährige Phiona Mutesi (Madina Nalwanga) wächst als Halbwaise im ugandischen Dorf Katwe auf, einem der ärmsten Orte der Welt. Ihre Mutter Harriet (Lupita Nyong’o) tut unter schwierigsten Bedingungen alles, um Phiona und ihren Geschwistern ein glückliches Leben zu ermöglichen. Als sie eines Tages den Missionar und Schachlehrer Robert Katende (David Oyelowo) kennenlernt, führt der Phiona in die Faszination des königlichen Spiels ein. Er erkennt schnell ihr Talent, fördert sie entsprechend und fährt schließlich sogar mit ihr und ein paar anderen Schülern zu den Landesmeisterschaften. Nicht alle sind dem Druck gewachsen, doch Phiona entwickelt einen immer größeren Ehrgeiz und fasst schließlich den Entschluss, die beste Schachspielerin der Welt werden zu wollen…
Es klingt wie ein Märchen: Ein kleines armes Mädchen aus Afrika, das weder lesen noch schreiben kann und dem nach aller Wahrscheinlichkeit eine alles andere als rosige Zukunft blüht, wird zu einer der besten Schachspielerinnen der Welt. Aber diese Geschichte mit ihren prototypischen Stationen von den ersten Erfolgen über die unvermeidlichen Rückschläge bis hin zum finalen Triumph wird hier eben nicht zur erbaulich-beschönigenden Kino-Fantasie überhöht. Regisseurin Mira Nair verkneift sich jede Verklärung, drückt nicht auf die Tränendrüse und verzichtet auch sonst auf Effekthascherei. Stattdessen schildert sie die Ereignisse einfühlsam und unaufdringlich aus der Sicht der jungen Protagonistin. Und da Phiona eine Frohnatur im besten Sinne ist, lässt sie sich von den bedrückenden Lebensumständen im Dorf nicht unterkriegen. Damit erinnert ihre Attitüde bisweilen zwar durchaus an die Mentalität einer klassischen Disney-Prinzessin, aber ihr Optimismus hat nichts Plakatives, sondern bleibt etwas sehr Persönliches.
Schwere Themen wie AIDS, Jugendschwangerschaft, die Verarmung des Landes und die hohe Sterberate klammert Mira Nair ebenso wenig aus wie die Hindernisse auf Phionas individuellem Weg. Die indische Filmemacherin beschönigt nichts, lässt aber keine Schwermut aufkommen. Hier stehen nicht die politischen, sozialen und ökonomischen Probleme Afrikas im Mittelpunkt, sondern die ganz und gar faszinierende Hauptfigur, für die Freude und Trauer Hand in Hand gehen. Besonders gelungen an dem Porträt sind die kleinen und größeren Widerhaken: So bedeutet der Erfolg für Phiona nicht automatisch eine Verbesserung der Lebenssituation und auch ihre Leidenschaft für das Schachspiel wird nicht als Liebe auf den ersten Blick dargestellt, sondern als etwas, das sich langsam entwickelt. Newcomerin Madina Nalwanga bringt diese Nuancen überaus überzeugend auf die Leinwand und behauptet sich locker gegenüber ihren prominenten Co-Stars Lupita Nyong’o (Oscar für „12 Years A Slave“) und David Oyelowo („Selma“). Die beiden enttäuschen als aufopferungsvolle Mutter und als engagierter Schachlehrer keineswegs, doch der eigentliche Star ist Madina Nalwanga, von der wir in Zukunft hoffentlich noch viel hören und sehen werden.
Fazit: „The Queen Of Katwe“ ist ein einfühlsames, eher ruhiges Drama und Sport-Biopic mit einer herausragenden Hauptdarstellerin.