Seit Menschen in mehr oder weniger organisierter Form zusammenleben stehen Gesellschaften vor der Frage, wie mit Regelbrechern und Straftätern umgegangen werden soll. Waren früher die Strafen oft drastisch und brutal, hat sich im 20. und 21. Jahrhundert in manchen Ländern das Konzept eines humaneren Strafvollzugs durchgesetzt, der nicht mehr auf dem Gedanken der Rache basiert, sondern auf dem der Resozialisierung. Besonders für die Angehörigen von Mordopfern ist dieser Ansatz oft schwer zu ertragen, schmerzt doch das Wissen, dass der Mörder eines geliebten Menschen bald wieder als normales Mitglied in die Gesellschaft integriert wird. Doch auch für die Täter ist das Verarbeiten eines Verbrechens, das oft unter extremen Umständen passierte, nicht einfach. All diese Fragen greift Hubertus Siegert („Berlin Babylon“) in seinem Dokumentarfilm „Beyond Punishment“ auf und porträtiert drei Täter sowie von deren Taten betroffene Angehörige der Opfer in drei unterschiedlichen westlichen Ländern.
In den USA sitzt Sean für den Mord an Leolas Sohn und Lisas Bruder im Gefängnis, bestreitet aber, die Tat begangen zu haben. In Norwegen wird Stiva nach sechs Jahren freigelassen. Er hatte im Affekt seine Freundin getötet, die Tochter von Erik. Und in Deutschland fragt sich Patrick, dessen Vater Gero von Braunmühl 1986 von der RAF ermordet wurde, immer noch, wer der individuelle Täter war. Darauf kann ihm auch das RAF-Gründungsmitglied Manfred Grashof keine Antwort geben, der Jahre im Gefängnis saß und nun den Kontakt mit Angehörigen der Opfer der Terrorgruppe sucht. Dieser Ansatz des Gesprächs zwischen Hinterbliebenen und Tätern steht im Mittelpunkt des Films, über ihn wagt sich Regisseur Siegert tastend an sein Thema heran. Er beobachtet die Menschen und zeichnet ihre höchst unterschiedlichen Reaktionen sachlich auf. Während etwa Patrick von Braunmühl bewusst ein Gespräch sucht – auch wenn sein Gegenüber nicht der Mörder seines Vaters ist – lehnt Erik ein Treffen mit Stiva ab. Er scheint seine Wut, ja, seinen Hass auf den Mörder seiner Tochter anders zu verarbeiten – wenn überhaupt. Siebert setzt klar auf den Dialog, aber auch wenn der nicht immer zustande kommt, sorgt seine gleichermaßen distanzierte wie empathische Herangehensweise für einige spannende Einsichten und Denkanstöße.
Fazit: In seiner Dokumentation „Beyond Punishment“ beschreibt Hubertus Siebert unterschiedliche Methoden des Umgangs mit Schwerverbrechen und zeichnet dabei ein differenziertes Bild vom Verhältnis zwischen Tätern und Opfern in der westlichen Welt.