„Irgendwann kommt alles raus und dann fliegt es dir um die Ohren!“ Die neunjährige Johanna (Nike Seitz) wächst in den 1960er Jahren in der streng katholischen österreichischen Gemeinde Wels auf. Das aufgeweckte Mädchen hat ein genaues Auge für ihre Umgebung und merkt schnell, dass mit ihrer extrem zurückgezogen lebenden Familie irgendetwas nicht stimmt. Durch ihre blinde Großmutter Ruth (der Lichtblick des Films: Hannelore Elsner) erfährt sie schließlich von ihrer jüdischen Identität und von den Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Fortan will Johanna wissen, was daran schlimm ist, eine Jüdin zu sein. Doch ihre immer lauter werdenden Fragen kommen im Dorf gar nicht gut an: Mit „Hannas schlafende Hunde“ greift Regisseur und Drehbuchautor Andreas Gruber Themen aus seinem bislang erfolgreichstem Film „Hasenjagd - Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ aus dem Jahr 1994 auf, in dem er nach historischen Fakten von freiwilligen Nazi-Gehilfen in den letzten Kriegstagen erzählte. Der Rassismus steckt vielen Menschen auch in seinem rund 20 Jahre später angesiedelten neuen historischen Drama noch im Kopf: Gruber verknüpft in „Hannas schlafende Hunde“ ein überaus skeptisches politisches Sittenbild mit einer schwermütigen Familiengeschichte und der Erzählung einer kindlichen Identitätsfindung. Die Mischung wirkt allerdings arg bemüht, denn mit seiner konsequent strengen Inszenierung und einigen zu dick aufgetragenen Klischees erstickt der Regisseur die Emotionen seiner hochdramatischen Geschichte im Keim.
Regisseur Andreas Gruber ist seit langer Zeit mit der Autorin Elisabeth Escher befreundet, die mit ihrem gleichnamigen autobiografischen Roman die literarische Vorlage für „Hannas schlafende Hunde“ geliefert hat. Außerdem kennt oder kannte er viele der im Buch beschriebenen Personen persönlich und auch das Milieu ist ihm vertraut. Das bürgt für die Glaubwürdigkeit des Gezeigten, wirklich zu spüren ist von dieser Nähe und Vertrautheit in Grubers Geschichte über das Schicksal von drei Frauen aus drei Generationen allerdings kaum etwas. Zu zäh ist dafür die Dramaturgie und zu einseitig die Bildsprache, die von langen Kameraeinstellungen auf leidende Gesichter in grauer Dauertristesse dominiert wird. Die bedrückende Stimmung liegt wie eine Dauermahnung über dem Film, und auch der Figurenzeichnung fehlt es dabei nicht an Deutlichkeit: So ist der feindselige Hausmeister beispielsweise nicht nur Alkoholiker, sondern auch noch pädophil und vergast in seiner Freizeit bevorzugt Maulwürfe im Garten mit seinem Moped. Diese Holzhammer-Symbolik ist kein Einzelfall und so bleibt letztlich auch den Darstellern wenig Raum zur Entfaltung. Nur Hannelore Elsner („Familienfest“) sticht da positiv heraus: Sie setzt sich als blinde Oma Ruth bewusst von dem Provinzmief der Umgebung ab und sorgt mit ihrer Mischung aus Zerbrechlichkeit und Stärke für ein würdevolles und lebendiges Ausrufezeichen.
Fazit: Bedrückende Romanverfilmung, die mit ihrer bedeutungsschwangeren Inszenierung und hölzernen Figuren weitgehend in ihren guten Ansätzen stecken bleibt.