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    Born To Be Blue
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Born To Be Blue
    Von Michael Meyns

    Nicht nur die Rockmusik und die Drogen, auch der Jazz und die Drogen scheinen bei vielen der größten Künstler eine gleichermaßen fruchtbare und zerstörerische Symbiose einzugehen. Dieser Eindruck lässt sich zumindest mit Blick auf die oft verklärte klassische Ära des Jazz gewinnen: Um Miles Davis, Charlie Parker und Dizzy Gillespie und wie sie alle hießen ranken sich zahlreiche Geschichten von verrauchten Bars und Heroin, der betäubenden und berauschenden Lieblingsdroge vieler Jazz-Legenden. Auch der große Trompeter und Sänger Chet Baker (1929-1988) hing an der Nadel und versetzte sich mit der Droge in einen Schaffensrausch. Der kanadische Regisseur Robert Budreau porträtiert den Musiker nun in „Born To Be Blue“, einem lose imaginierten, durch und durch melancholischen Drama über die Liebe zu den Frauen, zum Jazz und zum Heroin.

    1966 befindet sich Chet Baker (Ethan Hawke) am Tiefpunkt seines Lebens: Dealer schlagen ihm die Zähne aus, sodass der Trompeter mit einem neuen Gebiss das Spielen praktisch wieder neu lernen muss. Jeder Ton, den er bläst, bereitet ihm Schmerzen, was es für den Junkie erst recht schwierig macht, nicht rückfällig zu werden. Allein die Liebe seiner Freundin Jane (Carmen Ejogo) hält Baker davon ab, wieder zum Heroin zu greifen. Mit ihrer Unterstützung lernt er, wieder an sich zu glauben und arbeitet an seinem Comeback. Sein alter Produzent Dick Bock (Callum Keith Rennie) ist zwar skeptisch, ob Baker den Kampf gegen die Droge wirklich gewinnen kann, aber da die Kreativität des Musikers ungebrochen ist, gibt er ihm eine letzte Chance und organisiert ein Konzert im legendären Birdland in New York, ausgerechnet vor den Augen des berühmtesten Trompeters aller Zeiten: Miles Davis.

    Die Prügel, die Chet Baker 1966 bezog, sind belegt, doch schon die Frage, wer den Jazzer krankenhausreif geschlagen hat und warum, gibt Rätsel auf. Zwei, drei andere Ereignisse in Robert Budreaus Film sind ebenfalls unzweifelhaft durch Fakten untermauert, als biografisch im klassischen Sinne lässt sich „Born To Be Blue“ jedoch nur sehr bedingt bezeichnen. Vielmehr bedient sich Regisseur Budreau bei allerlei Mythen und Legenden über seinen Protagonisten, um ein betont stilisiertes und verklärtes Porträt des Musikers zu zeichnen. In „Born To Be Blue“ wird der Baker zu einer tragischen Gestalt, die zwischen ihren unterschiedlichen Leidenschaften hin- und hergerissen und schließlich aufgerieben wird.

    Der attraktive Chet Baker war ein echter Frauenschwarm. Wenn er mit seiner samtweichen Stimme Liebeslieder wie „My Funny Valentine“ oder „I Fall In Love Too Easily“ ins Mikrofon hauchte, dann fanden das seine Fans unwiderstehlich, zugleich brachte es dem fast einzigen Weißen unter den schwarzen Größen des Jazz auch viel Spott ein. Dass er Mitte der 1950er vor Miles Davis von einem populären Magazin zum besten Trompeter gewählt wurde, war selbst Baker unangenehm, zumindest erzählt es Budreau so. Der Wunsch, den Respekt seiner Musikerkollegen zu bekommen, besonders den von Davis, trieb Baker an, er ließ ihn schließlich auch zum Heroin greifen, der Droge, die schon den großen Charlie Parker beflügelte und umbrachte. Dass überlebensgroße Musik besonders gern im Rausch entsteht, mag ein Mythos sein, der nicht zuletzt durch Filme wie diesen am Leben erhalten wird, eine gute Geschichte ergibt die Legende aber in fast immer und auch hier ist das der Fall.

    „Born To Be Blue“ hat nur wenig mit dem wirklichen Leben Chet Bakers zu tun, aber gerade die Fiktion, die Verklärung, die manchmal durchaus zur Verkitschung tendiert, kann solche Szenen hervorbringen wie den unfassbar traurigen Moment, wenn Baker bei seinem Comeback im Birdland „I've Never Been in Love Before“ spielt, eines der schönsten Liebeslieder des Jazz. Im rauchigen Saal taucht Jane auf, der Baker kurz zuvor einen Ring geschenkt hat, sie hört die Zeilen „I've never been in love before, I thought my heart was safe, I thought I knew the score“ und realisiert langsam, dass Baker hier nicht von ihr singt und auch von keiner anderen Frau, sondern von seiner Liebe für die Musik und das Heroin, die für Baker ein- und dasselbe ist. Eine faszinierende und selbstzerstörerische Hingabe, der sich auch der leidenschaftliche Hauptdarsteller Ethan Hawke („Boyhood“) mit Haut und Haaren verschreibt.

    Fazit: Dieses imaginierte Porträt der Jazz-Legende Chet Baker ist ein Liebesfilm der etwas anderen Art, denn die Objekte der Begierde sind hier die Musik und das Heroin.

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