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    The Ones Below - Das Böse unter uns
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Ones Below - Das Böse unter uns
    Von Lars-Christian Daniels

    Seine Nachbarn kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Diese Erfahrung mussten zuletzt etwa auch Seth Rogen und Rose Byrne machen, die in der kurzweiligen Nachbarschaftskomödie „Bad Neighbors“ und der nicht minder unterhaltsamen Fortsetzung „Bad Neighbors 2“ wilde Studentenpartys im Haus nebenan ertragen mussten und es dennoch irgendwie fertigbrachten, ihr kleines Baby großzuziehen. In David Farrs doppelbödigem Psychothriller „The Ones Below – Das Böse unter uns“ gestaltet sich die Ausgangslage nun ähnlich: Auch hier muss ein junges Ehepaar feststellen, dass die Versorgung eines neugeborenen Kindes kein Zuckerschlecken ist – erst recht nicht, wenn neue Nachbarn einziehen, mit denen nicht gut Kirschen essen ist. Bei Farrs sehenswertem Spielfilmdebüt steht allerdings nicht der Humor, sondern die Spannung im Vordergrund: „The Ones Below“ (ab 18. November 2016 auf DVD) überzeugt mit guten Darstellern und einem gelungenen Twist, dürfte Genrekenner angesichts der bekannten erzählerischen Strickmuster aber kaum aus der Reserve locken.

    Kate (Clémence Poésy) und Justin (Stephen Campbell Moore) wohnen zusammen mit ihrer Katze im ersten Stock eines Londoner Townhouses und haben sich nach jahrelangem Zweifeln für ein gemeinsames Kind entschieden. Schon im ersten Anlauf hat es mit der Schwangerschaft geklappt – doch in ihrem Innern ringt Kate noch immer mit der Frage, ob sie der Herausforderung gewachsen ist. Ganz anders lief es bei Theresa (Laura Birn) und Jon (David Morrissey), die in die leerstehende Wohnung im Erdgeschoss gezogen sind: Beide haben sich nichts sehnlicher gewünscht als ein Baby, doch Theresa ist erst nach vielen Jahren schwanger geworden. Die werdenden Mütter freunden sich nach einem gemeinsamen Schwimmbadbesuch schnell an – doch während Kate die Geburt weitestgehend emotionslos auf sich zukommen lässt, gibt es für ihre neue Nachbarin kein anderes Gesprächsthema mehr. Nach einem gemeinsamen Abendessen zu viert kommt es zur Katastrophe: Die hochschwangere Theresa stürzt im Treppenhaus so unglücklich über Kates Katze, dass die Ärzte bei ihr vorzeitig die Geburt einleiten müssen...

    Schon beim einleitenden Pärchenabend, bei dem sich Theresa hinter dem Rücken ihres auffallend humorlosen Gatten ein Glas Weißwein gönnt, wird deutlich: Irgendetwas stimmt mit diesen neuen Nachbarn nicht. Anders als die Beziehung von Kate und Justin ist das Zusammenleben von Jon und Theresa nicht von Zuneigung, sondern von Perfektion und Kontrolle geprägt: Da ist zum einen das stets perfekt geschminkte, wohlgeformte „Barbie Girl“ Theresa, das nur im Privatclub schwimmen und teuer mit ihrem deutlich älteren Gatten lunchen geht. Der zwischen London und Frankfurt pendelnde Geschäftsmann Jon richtet hingegen vor jedem Betreten der Wohnung die ausgezogenen Schuhe penibel an und wird schon bald als cholerischer Kontrollfreak entlarvt. Beim optischen Kontrast zwischen den beiden Wohnungen haben es die Macher dann aber ein wenig übertrieben: Während im fast futuristisch anmutenden (und sicher nicht zum Grundriss des Hauses passenden) Apartment im Erdgeschoss alles in sterilem Gelb, Weiß und Blau leuchtet und jeder Grashalm im Garten perfekt gestutzt ist, haben sich Kate und Justin im Stockwerk darüber gemütlich im Vintagestil eingerichtet.

    Das anfangs noch freundschaftliche Nachbarschaftsverhältnis schaukelt sich erwartungsgemäß zum offenen Konflikt hoch: „Du verdienst das Ding in dir drin überhaupt nicht!“, brüllt die frisch aus dem Krankenhaus entlassene Theresa die hochschwangere Kate in Rage an – da sollte man meinen, das Tischtuch wäre nach dem dramatisch endenden Abend, der die Exposition für diesen Psychothriller bildet, ein für alle Mal zerschnitten. Doch weit gefehlt: Kaum sind ein paar Wochen ins Land gezogen, fasst Kate neues Vertrauen zu Theresa und überlässt ihrer vordergründig freundlichen Nachbarin nach der komplikationsfreien Geburt sogar für ein paar Stunden ihren kleinen Schreihals. Die Sehnsucht nach ein paar Stunden ungestörtem Schlaf allein wirkt für Kates Sinneswandel reichlich dünn: Welche Mutter würde wohl ihr Baby einer traumatisierten Frau überlassen, die sie kaum kennt und die ihr noch wenige Tage zuvor solch schlimme Vorwürfe an den Kopf geknallt hat? Der Zuschauer ahnt gleich, dass das Babysitten keine gute Idee ist, bekommt dann aber einen nuanciert gespielten Thriller serviert, der erfreulicherweise nicht nur von der Vorfreude auf den obligatorischen Twist auf der Zielgeraden lebt.

    Regisseur und Drehbuchautor David Farr, der bisher vor allem durch seine Skripts zu „Wer ist Hanna?“ und der TV-Serie „The Night Manager“ in Erscheinung getreten ist, arbeitet mit einfachen Mitteln, steigert die wachsende Bedrohung aus dem Erdgeschoss aber kontinuierlich. Bis zum Showdown verläuft dabei alles in gewohnten Bahnen: Nach einem Vorfall im Garten steigert sich Kates Misstrauen gegenüber dem Rest ihrer Umwelt bis ins Wahnhafte – hier ergibt sich eine auffällige Parallele zur vierten Staffel des US-Serienhits „Homeland“, die durch Kates körperlichen Verfall und die optische Ähnlichkeit der Hauptdarstellerinnen Clémence Poésy („Harry Potter und der Feuerkelch“) und Claire Danes (verkörpert in „Homeland“ die FBI-Ermittlerin Carrie Mathison) noch verstärkt wird. Während die Pianoklänge des schlafliedähnlichen Soundtracks die trügerische Sicherheit in den ruhigeren Momenten des Films gekonnt unterstreichen, steuert „The Ones Below“ auf sein dramatisches Finale zu: Der Schlusstwist ist unter dem Strich überzeugend, dank mehrerer Andeutungen für Genrekenner aber zu erahnen, zumal es mit Kates undurchsichtiger Mutter Tessa (Deborah Findlay) nur eine halbherzig angelegte falsche Fährte gibt.

    Fazit: David Farrs Spielfilmdebüt „The Ones Below“ ist ein überzeugend gespielter und unterhaltsamer Psychothriller, bei dem die ganz große Verblüffung aber ausbleibt.

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