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    Nur Fliegen ist schöner
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Nur Fliegen ist schöner
    Von Andreas Cordes

    Bei der Google-Suche nach einem Palindrom, also nach einem Wort, das vorwärts und rückwärts gelesen Sinn ergibt, stößt Mittfünfziger Michel (Bruno Podalydès) auf ein Bild von einem Kajak, das ihn umhaut. Wäre „Nur Fliegen ist schöner“ eine Romanze, dann wäre dies jener schicksalshafte Augenblick, der das Sich-Ineinander-Verlieben der Protagonisten ankündigt. Um Michel ist es jedenfalls geschehen: Erst werden die Paddel bestellt, dann der Rest des Kajaks hinterher, als Bausatz zum Selberzusammenbasteln. Nach ein paar amüsanten Trockenübungen im Wohnzimmer kann die Flussfahrt und Selbstfindungsreise beginnen, auf die uns Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Bruno Podalydès („Paris, je t'aime“) in seiner französischen Komödie mitnimmt. „Nur Fliegen ist schöner“ verspricht zunächst sommerlich-leichtes Wohlfühl-Kino, doch die nachsichtig-schonende Haltung, mit der Podalydès seinen ziellosen, versponnenen Helden gewähren lässt (Ehebruch inklusive) irritiert dann doch zunehmend.

    Eigentlich träumt der alltagsmüde Grafikdesigner Michel seit seiner Kindheit vom Fliegen und nicht vom Bootfahren. Das Kajak springt ihm auch nur deshalb ins Auge, weil es ihn an ein Flugzeug ohne Flügel erinnert. Doch mit welchem Gefährt Michel seinem tristen Leben, seinem Job und seiner liebevollen Ehefrau Rachelle (Sandrine Kiberlain, „Being 17“) den Rücken kehrt, ist eigentlich egal. Hauptsache weg, lautet die Devise, auch wenn er gar nicht weit kommt. Michels Flussreise, für die er sich im Vorfeld mit allerlei unnützem Ausrüstungsschnickschnack eingedeckt hat, endet nämlich schon bei seiner ersten Rast nach ein paar Kilometern, als er im Ausflugslokal der attraktiven Witwe Laetitia (Agnès Jaoui, „Lust auf Anderes“) landet. Dort findet er in den nächsten Tagen nicht nur zu sich selbst und zu jeder Menge Absinth, sondern auch in die Betten von Laetitia und der hübschen, jungen Kellnerin Mila (aufreizend: Vimala Pons, „Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen“). Das Wort „Midlife-Crisis“ fällt dabei kein einziges Mal, was bedauerlich ist, weil das Kind damit wenigstens beim Namen genannt wäre. Aber Bruno Podalydès, der hier zum ersten Mal in einem seiner Regiewerke auch die Hauptrolle übernommen hat, legt stattdessen viel Wert darauf, Michels Eskapaden als etwas Harmlos-Kauziges erscheinen zu lassen.

    Das infantil-impulsive Verhalten des Protagonisten wird hier nicht nur toleriert, in der Welt von „Nur Fliegen ist schöner“ ist sogar alles irgendwie auf seine fragwürdigen Bedürfnisse zugeschnitten: Frauen sind nicht nur ziemlich eigenschaftslos, zufällig verwitwet oder frisch verlassen und unglaublich hübsch, sondern können es auch gar nicht abwarten, sich mit krisengeplagten Männern zu umgeben, um diesen zu zeigen, dass das Leben durchaus Spaß machen kann. Vergeblich hofft man darauf, dass eine der Damen Michel mal zu etwas dringend nötiger Selbstreflexion auffordert, doch selbst Ehefrau Rachelle scheint für das selbstmitleidige Verhalten ihres Mannes irgendwie Verständnis zu haben - dem Eskapismus des von Luxusproblemen geplagten Kurzzeitaussteigers wird bei jeder Gelegenheit Vorschub geleistet. Es hat eine gewisse Logik, wenn dabei einige sehr originelle Traumsequenzen am ehesten überzeugen: Mal hebt Michel darin mit seinem Kajak in die Lüfte ab, mal träumt er davon, wie er im Kajak von seiner Frau in Fluglotsenmanier durch den normalen Straßenverkehr geleitet wird. Diese schön anzusehenden surrealen Einschübe unterstreichen die willkürliche Wirklichkeitsferne des übrigen Films allerdings noch. Die so zurechtgestutzte Erzählung über Sehnsüchte, Selbstfindung und Neuanfänge bleibt in banaler Einseitigkeit stecken.   

    Fazit: Diese sonnendurchflutete filmische Flussfahrt macht mit ihren sommerlichen Bildern Lust auf Urlaub, aber die schwer nachvollziehbaren, selbstsüchtigen Eskapaden des Protagonisten sind eher irritierend als unterhaltsam.

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