Zwischen vier und fünf Millionen Iraker leben im Exil, verstreut über die ganze Welt. Einer von ihnen ist der Regisseur Samir, der 1961 als Sechsjähriger mit seiner Familie in die Schweiz emigrierte und heute den melancholischen Blick eines ewig Suchenden hat. Dementsprechend elegisch ist auch seine auf der Berlinale 2015 in der Sektion Panorama gezeigte Dokumentation „Iraqi Odyssey“, eine – der Titel deutet es an – weltumspannende filmische Odyssee, auf der Samir seine über den Erdball verstreuten Verwandten interviewt und ihre persönlichen Schicksale mit der Geschichte des Irak verknüpft. Leider stehen diesem spannenden Ansatz aber einige unverständliche inszenatorische Entscheidungen und die ausufernde Spieldauer von zwei Stunden und 40 Minuten gegenüber, die die Kraft der Erzählungen und die Faszination der Dokumentaraufnahmen nahezu überschatten.
Das auffälligste Problem ist die Entscheidung, „Iraqi Odyssey“ als 3D-Film in die Kinos zu bringen: Besonders nutzlos wirkt die Wahl des Formats in diesem Fall, weil erhebliche Teile des Films aus Talking-Head-Interviews und Archivaufnahmen bestehen. Um den 3D-Einsatz trotzdem zu rechtfertigen, ergeht sich Samir in wild-willkürlichen optischen Spielereien, blendet alle paar Minuten grafisch verspielte Zwischentitel ein und ergötzt sich über die Maßen an einem animierten Globus, der fortwährend die riesigen Entfernungen zwischen den verstreuten Exilanten visualisieren soll. Dass er zudem die Interviews nachsprechen lässt, raubt den Erzählungen seiner Verwandten viel von ihrer Unmittelbarkeit. All diese kaum nachvollziehbaren und zuweilen fragwürdigen technischen Entscheidungen sind umso bedauerlicher, als sie die Aufmerksamkeit vom größten Pluspunkt des Films ablenken: den faszinierenden Dokumentaraufnahmen aus dem Irak, die die völlige Zerrissenheit einer Nation andeuten, die erst jahrelang ein Paria-Staat und dann Spielball der Weltmächte war und inzwischen zunehmend im sektiererischen Chaos zerbricht. Samir hat viel über dieses Land und seine Menschen zu erzählen, doch um das mitzubekommen, sollte man als Zuschauer einige Aspekte der unnötig langen und oft eitlen Dokumentation besser ausblenden.
Fazit: In „Iraqi Odyssey“ steckt eine faszinierende Dokumentation – aber um zu der vorzudringen, muss man sich erst einmal durch das unnötige 3D und allerlei sonstige überflüssige technische Sperenzchen wühlen.
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.