Fatih Akin ist nach „Tschick“ (2016) wieder im Kino vertreten. „Aus dem Nichts“ heißt sein Thriller.
Katja (Diane Kruger) ist am Boden. Durch eine Bombenexplosion in einem überwiegend von Ausländern bewohnten Hamburger Stadtviertel sterben Ehemann Nuri (Numan Acar) und Sohn Rocco (Rafael Santana). Als mutmaßliche Täter werden die Rechtsradikalen André und Edda Möller (Ulrich Brandhoff und Hanna Hilsdorf) festgenommen.
Fatih Akin ist ein König der kleinen Filme, der kleinen Sets, immer nah am Menschen, mal komisch, mal dramatisch.
Die Story ist nicht üppig, nicht komplex und nicht originell, der Nikotinverbrauch erinnert an frühere französische Dramen. Wie so oft in seinen Filmen, kommt es Fatih Akin auf die intensive Entblätterung der Charaktere an. Hier ist es Katja. Wie verarbeitet die Hauptfigur den Verlust, wie entwickelt sich ihr Verhältnis zu Freunden, Eltern und den kurdischen Schwiegereltern, wie verkraftet Katja den Umgang mit der Polizei und die Begegnung mit den André und Edda Möller im Gerichtssaal? Das sind Fragen, die der Regisseur seinem Publikum beantwortet. Er bedient sich dafür einer Diane Kruger, die über eine Ausdrucksstärke verfügt, welche vieles überragt, das je auf der Leinwand zu sehen war und alles überragt, das Sie je gespielt hat. Als Angelpunkt einer jeden Szene trägt Diane Kruger den Film entscheidend mit. Welch eine Wahl. In den Nebenrollen glänzen Denis Moschitto als Katjas Anwalt Danilo und Johannes Krisch als Verteidiger Haberbeck. Ein gefundenes Fressen für Akins Stammkameramann Rainer Klausmann, der wie in „Tschick“ mit einfallsreichen Perspektiven umgehen kann und die Intensität der Schauspieler in zahlreichen Nahaufnahmen eindrucksvoll verstärkt. Während in der ersten Phase des Films die Beobachtung der leidgeprüften Katja im Vordergrund steht, wächst später, wenn „Aus dem Nichts“ zum Rache-Drama geworden ist, in vielen Einstellungen der Wunsch des Publikums zu sehen, was Katja sieht. In diesem Abschnitt ist die Spannung kaum auszuhalten. Eben eine gelungene Komposition aus Bildern und Schnitt, verwirklicht durch Stammeditor Andrew Bird.
Der Weg, den Katja wählt, ist so sehr nachvollziehbar und rundet den Charakter ab.
Was an juristischen Anteilen in US-amerikanischen Filmen oft moralschwanger gestelzt aussieht (z.B. „Flight“ von Robert Zemeckis), ist in Akins Werk glaubhaft dargelegt. Der Regisseur ließ sich von Experten beraten, in dubio pro reo die Folge. Fatih Akin sei von den NSU-Morden inspiriert worden. „Aus dem Nichts“ ist jedoch, auf das Schicksal der Katja konzentriert, etwas sehr Persönliches und weniger Politisches. Der Hinweis auf die Verbrechen der NSU am Ende des Films wirkt somit deplatziert.
„Aus dem Nichts“ ist eindringlich fesselndes Kino.