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    Guten Tag, Ramón
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Guten Tag, Ramón
    Von Gregor Torinus

    Jorge Ramírez-Suárez („Rabbit on the Moon“) ist ein mexikanischer Filmemacher, der bereits seit längerer Zeit in Deutschland lebt. Als ein Mann mit beiden Staatsangehörigkeiten ist er ein Wanderer zwischen den Welten, da liegt es nahe, diese ungewöhnliche Konstellation zum Thema seiner künstlerischen Arbeit zu machen. Nach eigenem Bekunden wollte der Regisseur schon seit vielen Jahren einen Film über einen mexikanischen Teenager in Deutschland drehen. Mit „Guten Tag, Ramón“ hat er sich diesen Herzenswunsch nun erfüllt. Das Ergebnis ist ein Wohlfühldrama, das sehr gut in die die winterliche Kinosaison passt.

    Der 18-jährige Ramón (Kristyan Ferrer) lebt gemeinsam mit seiner Mutter (Arcelia Ramírez) und seiner kranken Oma (Adriana Barraza) in einer mexikanischen Kleinstadt. Die Großmutter benötigt teure Medikamente und ist deshalb auf Ramóns finanzielle Unterstützung angewiesen. Doch in der Provinz gibt es für den Jungen keine Arbeit - außer beim örtlichen Drogenboss. Dort will Ramón jedoch nicht anfangen; auch sein Versuch, illegal in die USA einzureisen, ist bereits fünfmal gescheitert. In dieser Situation erzählt ihm sein Freund Güero (Héctor Kotsifakis) von einer Tante, die in Deutschland lebt und der es dort anscheinend sehr gut geht. Auch die Einreise sei kein Problem. Kurzentschlossen begibt sich Ramón auf die Reise Richtung Wiesbaden. Doch Güeros Tante wohnt nicht mehr unter der alten Adresse und ihr deutscher Exfreund schlägt Ramón einfach die Tür vor der Nase zu. So landet der Neuankömmling von einem Moment auf den anderen bei bitterer Winterkälte auf der Straße, für das Umbuchen seines Rückflugtickets fehlt ihm das Geld. Um zu überleben, fängt Ramón an zu betteln. Sein Los ändert sich erst, als er die 80-jährige Ruth (Ingeborg Schöner) kennenlernt...

    In seinem fünften Spielfilm „Guten Tag, Ramón“ arbeitet der mexikanische Filmemacher Jorge Ramírez-Suárez mit starken Kontrasten, die oftmals recht plakativ wirken. So setzt er das sonnige Mexiko dem winterlichen Deutschland entgegen. Außerdem wohnt Ramón in seiner Heimat in einer heruntergekommenen Baracke und reist dann ausgerechnet in das wohlbetuchte Wiesbaden. In Mexiko sieht Ramón Menschen bei Schießereien zwischen den Drogenkartellen sterben, in Hessen findet er sich hingegen in einem denkbar ruhigen Haus voller Rentner wieder. Auch dort stirbt jemand - allerdings an Altersschwäche. Ramón bemerkt dies an dem strengen Geruch auf dem Flur. Die Tatsache, dass die anderen Bewohner tagelang nichts mitbekommen haben, zeigt dem Neuankömmling, wie sehr die Menschen hier aneinander vorbeileben: Die Deutschen haben anscheinend keine Geldsorgen, sind dafür jedoch sehr einsam. Ramón erkennt nun seine Mission und bringt den rüstigen Rentnern das Merengue-Tanzen bei.

    Mit der Überdeutlichkeit geht eine gewisse Naivität einher, über weite Strecken ist der Film durch einen verträumten Tonfall gekennzeichnet, der in seinen besten Momenten wie eine deutsch-mexikanische Version von „Die fabelhafte Welt der Amélie“ wirkt. Andererseits spielt Jorge Ramírez-Suárez, der hier als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent in Personalunion in Erscheinung tritt, aber auch immer wieder mit hart-realistischen Elementen, die geradezu krude wirken. Gleich in einer der ersten Szenen zeigt der Filmemacher, wie Grenzpolizisten einen einsam in der Wüste stehenden Lieferwagen gewaltsam öffnen und Ramón als einzigen Überlebenden zwischen lauter bereits toten Menschen aufgreifen. Das romantisiert Märchenhafte und das bitter Realistische fügen sich indes nicht zu einem harmonischen Ganzen. Die häufig abrupten Wechsel im Tonfall wirken im Gegenteil eher irritierend und ziemlich gewollt.

    Doch finden sich in „Guten Tag, Ramón“ auch viele Szenen, die einen besonderen Charme und eine gesunde Dosis Optimismus verströmen. Wenn Ramón seine bescheidenen Einnahmen soweit steigert, dass er sich nicht mehr mit zwei Äpfeln begnügen muss, sondern sich auch Tortillas leisten kann, freut man sich gern mit ihm. In den schönsten Momenten (etwa als er tanzend zu Hause Spezialität aus der alten Heimat zubereitet) verblassen plötzlich alle Einwände gegen die Klischeehaftigkeit der Geschichte und so bringt Ramón nicht nur etwas wohlige Wärme in sein karges Zuhause, sondern auch die Herzen der Kinozuschauer hinein.

    Fazit: „Guten Tag, Ramón“ ist ein sympathisches Feelgoodmovie über eine ungewöhnliche mexikanisch-deutsche Freundschaft, das nicht frei von deutlichen Misstönen bleibt.

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