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    Sonic The Hedgehog
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sonic The Hedgehog

    Doch noch die Kurve gekriegt

    Von Christoph Petersen

    Es gibt die Faustregel, dass es etwa zehn Jahre dauert, bis die Beteiligten an einer Filmproduktion offen über das Geschehen hinter den Kulissen zu sprechen beginnen (vorher ist in der Regel von allen Seiten nur das übliche Marketing-Blabla zu hören, ganz egal was wirklich vorgefallen ist). Im Fall der Videospielverfilmung „Sonic The Hedgehog“ wird das ein besonders spannender Moment: War es nun Einsicht oder Panik, die Regisseur Jeff Fowler und die Produzenten dazu gebracht hat, das Design der Titelfigur nach den vernichtenden Fan-Reaktionen auf den ersten Trailer noch einmal vollständig zu überarbeiten (und den Film deshalb sogar um vier Monate zu verschieben)?

    Aber wie dem auch sei: Die Extraarbeit hat sich definitiv gelohnt! Der großäugige Sonic sieht nicht nur seinem Videospielvorbild (mehr als 170 Millionen verkaufte Games und mehr als 600 Millionen Free-To-Play-Downloads) ähnlicher, das neue Design wird auch dem Tonfall des Films viel eher gerecht. Schließlich wirkte der erste Anlauf mit den kleinen Augen so, als hätte jemand krampfhaft versucht, möglichst nah an einen „realen“ blauen, superschnellen, sprechenden Igel heranzukommen. Dabei ist „Sonic The Hedgehog“ in erster Linie eine actionreiche Familien-Komödie in der Tradition von „Alvin und die Chipmunks“ oder „Hop – Osterhase oder Superstar“ – und da passt ein niedliches abstraktes Design doch sehr viel besser als ein creepy CGI-Stachelmonster.

    Einfach besser: Sonic im neuen Design!

    Nach einem Angriff auf sein Zuhause ist Sonic (Stimme im Original: Ben Schwartz, auf Deutsch: Julien Bam) aus seiner Heimatdimension geflohen. Seitdem sitzt der blaue SEGA-Sprinter in einer Kleinstadt in Montana fest, wo ihn bisher nur der örtliche Verschwörungsspinner zu Gesicht bekommen hat. Aber dem glaubt ja zum Glück sowieso niemand. Sonic hingegen fühlt sich selbst als Teil der Familie von Polizist Tom (James Marsden) und dessen Frau Maddie (Tika Sumpter). Wenn die beiden einen Videoabend machen, schaut der einsame Igel von draußen durchs Fenster mit zu.

    Aber dann löst Sonic mit seiner Geschwindigkeit versehentlich einen gewaltigen EMP-Impuls aus, der kurzzeitig sogar die Stromversorgung in ganz Nordamerika lahmlegt. Während die US-Regierung den ähnlich genialen wie bösartigen Dr. Ivo Robotnik (Jim Carrey) schickt, um der Sache auf den Grund zu gehen, tritt Sonic gemeinsam mit dem hilfsbereiten Tom die Reise nach San Francisco an, um dort einen verlorengegangenen Beutel mit magischen Ringen zu finden. Doch es dauert nicht lange, bis sich Robotnik und seine Schergen an ihre Fersen heften…

    Nerds kommen schon auch auf ihre Kosten

    Sonics Heimatdimension ist dem allerersten Level aus dem allerersten Sonic-Spiel auf dem Mega Drive (von 1991) nachempfunden – und auch sonst gibt es in „Sonic The Hedgehog“ neben allerlei Anspielungen auf die Videospielvergangenheit des Titelhelden jede Menge Popkulturzitate (Sonics Lieblings-Comicheld ist wenig überraschend The Flash) zu entdecken. Als Kind der Neunziger und Gaming-Fan kann man mit der Leinwandadaption also durchaus seinen Spaß haben – und das ist ja schon mal mehr, als sich von den allermeisten Videospielverfilmungen behaupten lässt. Trotzdem sollte man nicht vergessen: „Sonic The Hedgehog“ richtet sich nicht in erster Linie an Fans der ersten Stunde, sondern an den aktuellen Kinonachwuchs.

    Die Story ist dabei nur Nebensache – es gibt mal wieder einen Roadtrip-Plot, der mehr schlecht als recht zusammengebogen wurde, um den Figuren überhaupt etwas zu tun zu geben. Aber dafür sitzen viele Pointen, etwa wenn Sonic eine Schildkröte den Rausch der Geschwindigkeit spüren lässt – und wenn der einsame Held allein von draußen durchs Fenster schaut, um mit „seiner“ Familie einen „gemeinsamen“ Abend zu verbringen, dann ist das für einen Sonic-Film sogar unerwartet berührend.

    Das gar nicht so heimliche Highlight: Jim Carrey im Neunziger-Modus!

    Auch wenn der stachelige Held an einer Stelle Dominic Toretto zitiert („Familie“ und so), kann „Sonic The Hedgehog“ der „Fast & Furious“-Reihe actiontechnisch logischerweise nicht das Wasser reichen. Aber die Verfolgungsjagd, bei der Robotnik jedes Mal, wenn sein Gefährt zerstört wird, wie bei einer Matroschka eine noch kleinere Version hervorzaubert, überzeugt dennoch als temporeiche „Fast & Furious junior“-Sequenz. Dasselbe gilt für die Momente, in denen für die blaue Titelfigur die Zeit um sich herum stillzustehen scheint, weil er einfach so verdammt schnell ist – eine augenzwinkernde Familienfilm-Hommage an die Quicksilver-Sequenzen aus „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ und „X-Men: Apocalypse“.

    Wenn in der finalen Szene von „Sonic The Hedgehog“ bereits ein möglicher zweiter Teil angeteasert wird, macht das vor allem Lust, weil man unbedingt noch mehr von Jim Carrey sehen will. Der grimassiert als Dr. Robotnik nämlich endlich mal wieder wie zu seinen allerbesten Zeiten („Dumm und dümmer“, „Die Maske“) – und das, obwohl er bisher nur die „gemäßigte“ Version des größenwahnsinnigen Bösewichts verkörpert und ihm auch über weite Strecken noch der ikonische rote Riesenschnurrbart fehlt, der zu den zentralen Markenzeichen des Videospiel-Schurken zählt.

    Fazit: Eine ebenso kurzweilige wie schnell wieder vergessene Fantasy-Familienkomödie – erstaunlich viele Gags sitzen, ein wenig geht das Schicksal des einsamen Igels sogar zu Herzen und Jim Carrey zündet als grimassierende Geheimwaffe.

    P.S.: Dieser Kritik liegt die englische Originalfassung zugrunde – wir können also nicht garantieren, dass der Humor in der deutschen Synchro genauso zündet. Aber die hiesigen Verantwortlichen haben sich zumindest ein Vorbild an den US-Produzenten genommen und auf ihre Fans gehört: Nachdem der erste Trailer mit der Stimme (und den Sprüchen) von Julien Bam schwer durchfiel, ging es noch einmal zurück ins Tonstudio, um den Protagonisten mehr nach Sonic und weniger nach YouTuber klingen zu lassen – und tatsächlich hört sich das alles in den neuen Trailern sehr viel überzeugender und gar nicht mehr peinlich an.

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