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    Das Spiel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das Spiel
    Von Markus Fiedler

    Stephen King gilt nicht umsonst als der König des Horrors, diesen Titel hat er sich nach mehr als 50 Romanen und zahllosen Kurzgeschichten redlich verdient. Bei seinen meist abgründigen Erzählungen setzt der umtriebige Bestseller-Garant gerne auf Extreme – und legt sie entweder episch groß oder minimalistisch klein an. So schmeißt er seine Fans in seinen Mammutwerken wie „Das letzte Gefecht“, „Der dunkle Turm“ und natürlich „Es“ mitten hinein in den epischen Kampf Gut gegen Böse. Aber daneben hat King eben auch ein Faible für ganz intime Storys, die oft nur an einem Ort spielen und nur ein bis zwei Figuren in den Fokus rücken. Die bekannteste dieser Geschichten ist sicherlich „Misery“, in der ein ans Bett gefesselter Bestsellerautor von seinem größten Fan malträtiert wird. Weniger bekannt - aber ebenfalls größtenteils in einem Bett angesiedelt - ist der Roman, den King direkt im Anschluss an „Misery“ geschrieben hat: In „Das Spiel“ geht es um eine Frau, die nach einem erotischen Rollenspiel mit Handschellen ans Bett gefesselt zurückbleibt. Regisseur und Drehbuchautor Mike Flanagan („Hush“, „Oculus“) adaptiert die Vorlage in seiner gleichnamigen Netflix-Produktion nun als stimmige Mischung aus Horrorfilm und Charakterdrama – und kommt der Atmosphäre des Romans damit erfreulich nahe.

    Um ihre eingeschlafene Ehe wieder in Schwung zu bringen, unternehmen Gerald (Bruce Greenwood) und seine Frau Jessie (Carla Gugino) einen Ausflug zu ihrem einsam gelegenen Wochenendhaus. Außer einem streunenden Hund begegnet ihnen auf dem Weg niemand. Schon kurz nach ihrer Ankunft drängt Gerald Jessie zum Sex – allerdings in einer neuen Spielart: Er fesselt sie mit Handschellen an die Bettpfosten und beginnt ein Rollenspiel, in dem er nicht ihr Ehemann, sondern ein Einbrecher ist. Jessie hat darauf jedoch keine Lust und beschwört ihren Mann damit aufzuhören. Aber noch bevor Gerald sie wieder losmachen kann, erleidet er einen Herzinfarkt und stürzt tot zu Boden. Der gefesselten Jessie wird schnell klar, dass sie in Lebensgefahr schwebt und dass ihr wahrscheinlich niemand zur Hilfe kommen wird. Aber dann tauchen bald doch (gefährliche) Besucher auf. Doch sind die wirklich real? Oder spielen ihr ihre Sinne nur einen Streich?

    In seinem Roman „Das Spiel“ lässt Stephen King einen guten Teil der Handlung im Inneren von Jessies Kopf spielen, in dem sich verschiedene Stimmen über die Möglichkeiten unterhalten, die ihr noch bleiben, um ihr Leben zu retten. Im Buch sind das Freundinnen aus der Highschool, die verschiedene Aspekte von Jessies Charakter repräsentierten. Mike Flanagan spart hingegen lieber am Personal und setzt stattdessen allein auf die Stimmen seiner beiden Hauptdarsteller Bruce Greenwood („Kingsman 2: The Golden Circle“) und Carla Gugino („Sin City“), wobei die Stimme des verstorbenen Gerald stets an Jessies Schwächen appelliert, während Jessies Phantom-Ich für die klardenkende und starke Frau steht. Aus diesem Dreiklang kreiert Flanagan einige sehr beklemmende Momente: Wenn Gerards Stimme etwa seiner Frau erklärt, wie sehr ihre Hochzeit doch mit ihrer Vergangenheit und ihrem Vater und wie wenig tatsächlich mit Liebe zu tun hatte, lässt uns Gugino sehr glaubhaft an Jessies Schmerz über diese bittere Erkenntnis teilhaben.

    Aber das alleine würde ja noch keinen echten King-Stoff ausmachen und so lässt der Meister den eigentlich so harmlos wirkenden streunenden Hund plötzlich zu einer echten Gefahr für Jessie werden – und packt später auch noch ein weiteres Monster aus, dessen erster Auftritt die wohl gruseligste Szene des gesamten Films ist. Schon bald kann Jessie kaum noch unterscheiden, was nun Realität ist und was ihr Geist ihr nur vorgaukelt, während sie mehr und mehr dehydriert und allgemein immer schwächer wird. Gerade mit dieser Ambivalenz spielt Flanagan virtuos, indem er seine Zuschauer stets so lange wie möglich im Unklaren darüber lässt, was in diesem kleinen Schlafzimmer wirklich passiert – und was nur in Jessies Kopf geschieht.

    Mit gut gesetzten Schnitten und ruhigen Kamerafahrten erzeugt der Regisseur immer wieder beklemmende Momente. Er scheut sich aber auch nicht, im rechten Moment ein paar derbere Bilder zu präsentieren, bei dem das Zusehen durchaus auch mal wehtun kann. Auch dank seiner beiden ausgezeichneten Schauspieler bringt Flanagan den Film sicher ins Ziel, weiß aber im Gegensatz zu Stephen King nicht, wann eine Geschichte zu Ende erzählt ist: Während King im Buch den perfekten Moment trifft, um den Leser mit einem flauen Gefühl im Magen zu entlassen, schließt Flanagan noch einige weitere Szenen an, die den Horror im Kopf des Zuschauers auf der Zielgeraden noch unnötig verwässern.

    Fazit: „Das Spiel“ ist eine stimmige Umsetzung eines der weniger bekannten Werke von Stephen King – und das, obwohl sich der Roman auf den ersten Blick wenig für eine Filmumsetzung eignet. Doch Regisseur Mike Flanagan trifft meist den richtigen Ton und findet Bilder, die das Innenleben seiner Heldin sichtbar machen. Lediglich das Ende zieht sich zu lang hin und nimmt dem Szenario so etwas von seinem Schrecken.

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