Es können nicht immer Zombies sein und so sucht die Filmindustrie stets nach alternativen Seuchen, um die Menschheit auf möglichst verstörende Weise auszurotten. In seinem in Deutschland direkt fürs Heimkino erscheinenden Horror-Drama „Viral“ variiert das Regie-Duo Henry Joost und Ariel Schulman („Paranormal Activity 3“), das zuletzt mit „Nerve“ für packende Hochgeschwindigkeits-Genreunterhaltung gesorgt hat, nun die klassische Story einer sich scheinbar unaufhaltsam ausbreitenden Krankheit. Allerdings ist den beiden die im Stil eines Kammerspiels inszenierte Virusplage nicht wirklich aufregender geraten als ein durchschnittlicher Zombiehorror. Letztlich ist der von Blumhouse („The Purge“-Trilogie, „Split“, „Get Out“) gewohnt preiswert produzierte Film so nur ein leidlich spannender und in Maßen blutiger Apokalypse-Thriller.
Emma (Sofia Black-D’Elia) und ihre ältere Schwester Stacey (Analeigh Tipton) sind mit den Eltern erst vor kurzem in eine Kleinstadt nach Kalifornien gezogen, wo ihr Vater einen Job als Lehrer angetreten hat. Sie wohnen in einem abgelegenen Neubaugebiet und Stacey macht die Enge der Ortschaft sehr zu schaffen. Emma hingegen fühlt sich schon ganz wohl, nicht zuletzt wegen ihrer Freundin Gracie (Linzie Grey) und ihrem heimlichen Schwarm Evan (Travis Tope), dem Nachbarsjungen. Doch das tritt bald in den Hintergrund, als sich langsam die Nachrichten ausbreiten, dass eine Krankheit namens „Wurmseuche“ aus China in die USA herübergeschwappt sein soll. In Windeseile ändert sich die Lage von harmlos zu besorgniserregend und bald sitzen Emma und Stacey ohne Eltern unter Quarantäne allein im Haus fest, während Hubschrauber der Armee über dem Tal kreisen. Und in den Straßen sind Infizierte auf der Suche nach neuen Wirten für ihre Parasiten. Der Albtraum beginnt…
In „Viral“ werden auf routinierte Weise altbekannte Genreversatzstücke kombiniert, zu denen gehören hier auch einige der blöderen Klischees wie sich ausgesucht dämlich verhaltenden Teenager – und so können sich hier anders als noch in „Nerve“ auch die jungen Darsteller nicht besonders profilieren. Die sehr starke Anlehnung an die Horrortradition führt zudem dazu, dass das Geschehen selbst für oberflächliche Genrekenner arg vorhersehbar ist. Aber immerhin wird das Ganze schnörkellos und zügig in weniger als 90 Minuten abgespult, wobei dank guter Kameraarbeit und präzisem Schnitt hin und wieder sogar eine wirklich packende Szene gelingt. Davon hätte es aber ruhig etwas mehr geben dürfen, stattdessen bekommen wir einige sehr offensichtliche Anleihen bei großen Vorbildern wie David Cronenbergs „Parasiten-Mörder“ oder Philip Kaufmans „Die Körperfresser kommen“, bei denen dann eher das bloße Zitat als der Einsatz zur Spannungssteigerung im Mittelpunkt steht.
Wenn die Spannung zwischendurch immer wieder nachlässt, liegt das auch daran, dass in „Viral“ insgesamt zu viele verschiedene Themen angerissen werden, um sie alle zufriedenstellend auserzählen zu können. Da ist zum einen der „Terror“ durch die Infizierten, eine Gefahr von außen, gegen die selbst die eigenen vier Wände nicht schützen. Zu der unmittelbaren Bedrohung kommt schließlich noch die nagende Ungewissheit, ob es die Zivilisation überhaupt noch gibt oder ob die Überlebenden der kleinen Siedlung längst einer verlorene Schlacht kämpfen. Hier erhält das Szenario apokalyptische Züge, aber dieses Weltuntergangsmotiv wurde auch schon deutlich innovativer und klarer ausgestaltet, so wie kürzlich erst wieder in „The Girl With All The Gifts“. Und zu dieser globalen Ebene gesellt sich schließlich noch das persönliche Drama zwischen den zwei Schwestern, die sich nicht immer gut verstehen. Doch auch für die psychologischen Feinheiten dieses Konflikts bleibt hier genauso wenig Zeit wie für die Einzelheiten der geheimnisvollen Seuche nebst ihren Ursachen. Letzteres ist besonders bedauerlich, denn gerade zum Schluss hin werden dazu ein paar interessante Ansätze eingebracht. So können Genreeinsteiger und Gelegenheitsgucker bei diesem Film ohne große Ekeleffekte ganz gut mit den Schwestern mitleiden, für hartgesottene Horrorfans birgt der weitgehend harmlose „Viral“ hingegen kaum Ansteckungsgefahr.
Fazit: Ein solide inszenierter Low-Budget-Apokalypse-Horror mit sympathischen Figuren, aber kaum eigenen Ideen und eher geringem Spannungswert.